Ungewollt schwanger in Deutschland: Der Paragraf und ich

WDR.DOK 17.04.2024 01:28:34 Std. UT Verfügbar bis 17.04.2025 WDR Von Luzia Schmid

Paragraph 218: Wie Abtreibung legal werden könnte

Stand: 31.03.2023, 14:47 Uhr

Die Bundesregierung erwägt, den Paragrafen 218 ersatzlos zu streichen - und damit Abtreibungen zu legalisieren. Eine Kommission soll nun medizinische, juristische und ethische Fragen klären.

Rein formal lässt der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches kaum Raum für Interpretationen: Abtreibungen sind in Deutschland illegal. Wer eine Schwangerschaft dennoch abbricht, muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen. Nur wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis vorgenommen wird und die werdende Mutter sich zusätzlich bei einer anerkannten Stelle beraten lässt, bleibt der Eingriff straffrei.

Schon seit dem Jahr 1871 ist der Paragraph 218 in Kraft - und nach wie vor hoch umstritten. Nun könnte die Diskussion um das Gesetz wieder neu aufflammen. Die Bundesregierung hatte bereits vor einem Jahr im Koalitionsvertrag vereinbart, die aktuellen Regeln für einen Schwangerschaftsabbruch zu überprüfen - und dabei auch Möglichkeiten "außerhalb des Strafgesetzbuchs" ins Auge zu fassen. Sprich: eine Streichung des Abtreibungsparagrafen.

Kommission soll Legalisierung ausloten

Vorschläge soll eine unabhängige Kommission liefern, die am Freitag erstmals zusammengekommen ist. Besetzt ist das Gremium laut Bundesgesundheitsministerium mit 18 Expertinnen und Experten: Juristen, Mediziner, Psychologen und Ethiker. Die 15 Frauen und drei Männer wollen sich ein Jahr lang regelmäßig treffen und nach einer Lösung suchen, die sowohl dem Selbstbestimmungsrecht von Frauen als auch dem Schutz des ungeborenen Lebens gerecht wird.

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Einfach wird die Aufgabe nicht - selbst innerhalb der Berliner Koalition gehen die Ansichten zu einer möglichen Abschaffung des Paragrafen 218 weit auseinander. Während sich die grüne Familienministerin Lisa Paus klar für eine Streichung des Gesetzes ausspricht und dafür viel Unterstützung aus den Reihen der SPD bekommen hat, ist sich die FDP noch nicht sicher, ob sie eine neue Regelung mittragen kann.

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Mit Unterstützung seitens der Union kann die Koalition wohl ebenfalls nicht rechnen. Das Lebensrecht ungeborenener Kinder sei zu wichtig, als dass man es mit einfachem Ordnungsrecht schützen könne, sagt zum Beispiel Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Vorsitzende des Rechtsausschusses im Deutschen Bundestag.

Scharfer Protest der katholischen Kirche

Auch außerhalb der Politik liegen die Ansichten weit auseinander: Während Pro Familia eine Abschaffung des Paragraphen 218 begrüßen würde, um die strafrechtliche "Stigmatisierung" von Frauen zu beenden, gibt es besonders aus der katholischen Kirche scharfe Proteste. "Für uns stellt sich die Frage, wer in der Kommission für Lebensschutz und die Rechte des ungeborenen Kindes eintritt", erklärte das Katholische Büro NRW. Das Bundesgesundheitsministerium hatte die Kirchen nicht in die Kommission eingeladen, um die Unabhängigkeit des Gremiums zu sichern.

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Selbst wenn es am Ende zu einer politischen Einigung kommen sollte - die Lösung der Detailfragen könnte noch schwierig werden. Derzeit werden zum Beispiel die Kosten für eine Abtreibung in der Regel nicht von den Krankenkassen übernommen. Ob es sich dabei wirklich um eine Gesundheitsleistung handelt, dürfte noch für einige Diskussionen sorgen. Dass es sich um eine wichtige gesellschaftliche Frage handelt, dafür sprechen nackte Zahlen: Laut Robert Koch-Institut (RKI) haben im Jahr 2021 in Deutschland insgesamt 94.596 Frauen eine Abtreibung vorgenommen.