Buchcover: "Das Pfauengemälde" von Maria Bidians

"Das Pfauengemälde" von Maria Bidian

Stand: 14.11.2024, 19:31 Uhr

Maria Bidian Debüt "Das Pfauengemälde" ist ein traurig-schön erzählter Familienroman der uns das Rumänien der kommunistischen Zeit genauso nahe bringt wie das heutige EU-Land. Eine Rezension von Terry Albrecht.

Maria Bidian: Das Pfauengemälde
Zsolnay, 320 Seiten, 24 Euro.

"Das Pfauengemälde" von Maria Bidian

Lesestoff – neue Bücher 20.11.2024 04:38 Min. Verfügbar bis 20.11.2025 WDR Online Von Terry Albrecht


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Am Anfang steht ein Brief aus Rumänien. Ana nimmt ihn aus der Hand des Postboten entgegen. Ein Gefühle steigt in ihr auf.

"In mir öffnete sich etwas, ich drückte die Fingernägel tief in die Handfläche und schloss die Tür."

Schon gleich zu Beginn des Debütromans von Maria Bidian ist die Intensität spürbar, mit der die folgende Familiengeschichte erzählt wird. Die Erzählerin Ana erfährt, dass sie ein Gemälde, auf dem ein Pfau dargestellt ist, geerbt hat. Als Tochter des aus Rumänien stammenden Vaters Nicu, der vor zwei Jahren unter mysteriösen Umständen starb, ist sie Teil der Familie, die zudem ein großes Haus zurückerstattet bekommen soll. Die großbürgerliche Familie wurde in kommunistischen Zeiten enteignet. Die Verwandten bitten sie nach Rumänien zu kommen, um die Restitution zu klären. Und Ana ist bereit. Denn vor zwei Jahren, als der Vater nach Rumänien zurückreiste, das Land, aus dem er in der Ceausescu-Ära vertrieben wurde, um das ihm so wichtige Pfauengemälde zu suchen, hat sie ihn nicht begleitet. Während der Reise starb er: Todesursache unbekannt. Nun will Ana das wieder aufgetauchte Bild, das symbolisch für die Enteignung der Familie steht, persönlich in Empfang nehmen. Es wird eine Zeitreise auf den Spuren des geliebten Vaters, der immer wieder in Erinnerungsbildern Anas auftaucht.

"Ich sah Nicu hinter seinem Schreibtisch sitzen. (...) Briefmarken schnitt er aus, legte sie in Wasserschalen und dann auf Zeitungspapier. Das Album mit den rumänischen Marken war das dickste, oft sah ich ihn spät am Abend mit der Pinzette darüber gebeugt sitzen, als könnten die bunten Papierstücke das zurückbringen, was er verloren hatte: seine Heimat, seinen Wohlstand, seine Anerkennung."

Die große Verwandtschaft, bestehend aus Tanten, Onkeln, Cousinen und Cousins empfängt Ana herzlich, doch schon bald zeigen sich die Gräben, die sich auch in der rumänischen Gesellschaft heute auftun. Korruption, prekäre Lebensverhältnisse, Risse die quer durch die Gesellschaft gehen und auch durch die Familien. Auf der anderen Seite ist da das Rumänien der Vergangenheit, aus dem Anas Vater flüchtete: ein Terrorstaat, vor dessen Geheimpolizei Securitate sich Nicu sogar in Deutschland noch fürchten musste. Und dann schließlich die Revolution von 1989, die nirgends in Europa blutiger war als in Rumänien.

Maria Bidian führt diese verschiedenen zeitlichen Perspektiven im Roman gekonnt zusammen. Und autobiografische Züge sind in „Das Pfauengemälde“ unverkennbar. Wie ihre Hauptfigur Ana ist Maria Bidian, Tochter eines Rumänen und einer Deutschen. Seit der Kindheit war sie immer wieder in Rumänien bei der Familie. Trauer und Verlust waren die Beweggründe zum Schreiben dieses Buches. Und die ungarische Schriftstellerin Terézia Mora zitierend, fragt auch Bidian sich:

"Wie über Wunden und die eigene Familie schreiben?"

An einer Stelle, nachdem sie sich bereits einige Zeit in Rumänien aufhält, stellt Ana fest:

"'Als Nicu gestorben ist', kam es aus mir heraus, 'dachte ich, ich kann dieses Problem, dieses störende Gefühl, so lösen, wie ich immer alles gelöst habe. Ich habe Bücher darüber gelesen, bin zu einer Trauergruppe an der Uni gegangen, habe meine Gedanken aufgeschrieben, aufgeklebt, aufgemalt, habe in einem Kurs meine Familie aufgestellt und mir die Verbindungen zwischen uns angeschaut. Ich habe kalt geduscht, bin in eisige Seen gestiegen, habe Sport gemacht und Männer getroffen. Ich habe alles getan, um Trauer zu kontrollieren, aber es hat nicht geklappt.'"

Maria Bidian bringt uns Lesern das immer noch recht fremde Land Rumänien näher. Vor allem erzählt sie aber eine Familiengeschichte zwischen Entfremdung und Annäherung mit großer Emphatie für ihre Figuren.