Missbrauch in Köln: "Kirche soll Aufarbeitung aus der Hand geben"

Stand: 23.03.2021, 18:07 Uhr

Jesuiten-Pater Klaus Mertes hat den Missbrauch im Berliner Canisius-Kolleg öffentlich gemacht. Im WDR äußert er sich nun zu den Missbrauchs-Fällen im Erzbistum Köln.

Von Celina de Cuveland

Mertes war jahrelang Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin. Als sich ihm ehemalige Schüler als Missbrauchsopfer anvertrauten, entschied er sich zu reagieren. Das war Anfang 2010. Mertes schrieb den Betroffenen einen Brief mit einer Entschuldigung und dem Versprechen, zur Aufklärung beizutragen. Das sorgte dafür, dass weitere Missbrauchsopfer den Mut aufbrachten, über ihre Erlebnisse zu sprechen.

Woelki räumt Fehler ein

Die damals angestoßene Welle führte letztlich dazu, dass nun auch das Erzbistum Köln Konsequenzen gezogen hat. Nachdem das Erzbistum vergangenen Donnerstag ein Gutachten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige und Schutzbefohlene veröffentlicht hatte, stellten Rainer Maria Kardinal Woelki und Generalvikar Markus Hofmann am Dienstag die Konsequenzen daraus vor. Woelki räumte Fehler ein, gab sich zerknirscht.

Pater Mertes hat bereits 2010 erlebt, was man aushalten muss, wenn man sich für die von sexualisierter Gewalt Betroffenen und Aufklärung der Taten einsetzt. Er sagt dazu: "Ein solcher Prozess ist unendlich komplex. Die katholische Kirche steht im Fokus der Öffentlichkeit, aber das ist auch für jede Schule oder jeden Sportverein unendlich komplex. Das Schuldeingeständnis, das Versagenseingeständnis ist leicht. Die viel schwierige Frage besteht darin, wie man den Betroffenen in der weiteren Aufarbeitung und der Kommunikation gerecht werden kann."

Keine moralische Aufarbeitung

Das fange bei der juristischen Aufarbeitung an. Wenn man die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergebe, seien 99 Prozent der Fälle verjährt oder die Taten würden von der Rechtssprechung nicht als justiziabel anerkannt. Und die juristische Aufarbeitung leistet laut Mertes nicht das, was die meisten Betroffenen erwarten, nämlich eine moralische Aufarbeitung.

Mertes sagt weiter, dass die Kommunikation zwischen Betroffenen und der Institution katholische Kirche immer wieder scheitert, hänge mit der Komplexität der Aufarbeitung selbst zusammen. Er glaubt dennoch, dass es der katholischen Kirche gelingen kann, die Missbrauchsfälle glaubwürdig aufzuarbeiten.

Unter einer Bedingung: "Dass die katholische Kirche die Kontrolle über die Aufarbeitung aus der Hand gibt - an eine wirklich unabhängige Institution. Sowohl unabhängig von der Kirche als auch von den Betroffenen. Und die dann tatsächlich recht sprechen kann und aushalten muss, dass manchmal auch die Rechtssprechung nicht zur totalen Gerechtigkeit führen kann."

Das vollständige Interview gibt es zum Nachhören im Echo des Tages: