Reaktionen auf Röttgens Entlassung

Eine verunsicherte Partei

Stand: 16.05.2012, 19:43 Uhr

Dass Norbert Röttgen jetzt auch noch in Berlin seinen Hut nehmen musste, war ein Paukenschlag. Die unterschiedlichen Reaktionen in seinem Landesverband zeigen, wie groß die Verunsicherung ist, die seine historische Wahlschlappe hinterlassen hat.

Von Sven Gantzkow

Drei Tage ist es her, dass Norbert Röttgen mit seinem unverzüglich erklärten Rücktritt vom Amt des CDU-Landesvorsitzenden in NRW versucht hat, sein Ministeramt in Berlin zu halten. Am Montag (14.05.2012) sah es dann auch tatsächlich so aus, als sei seine Rechnung aufgegangen. Denn Angela Merkel stellte sich, trotz historischer Wahlschlappe in Nordrhein-Westfalen, vor ihren Umweltminister. Aber eigentlich war klar, dass das Thema damit nicht erledigt sein könnte. Zu sehr hat Röttgen durch seinen unglücklichen Wahlkampf und die unkonkrete Themensetzung für einen schwerwiegenden Imageschaden gesorgt. Damit er nicht auch noch auf die Bundesregierung abfärbt, zog die Kanzlerin am Mittwoch (16.05.2012) die Notbremse und entließ den Mann, der einst als einer der Hoffnungsträger der Union galt.

Laumann und Wittke verwundert

An der Spitze seines Landesverbandes löste das Verwunderung aus: Generalsekretär Oliver Wittke sagte am Mittwochabend: "Norbert Röttgen hat als Bundesumweltminister einen hervorragenden Job gemacht. Er ist persönlich ohne Fehl und Tadel. Deshalb verwundert uns diese Entlassung schon." Und Karl-Josef Laumann, der Fraktionsvorsitzende der Union, fügte hinzu: "Ich verstehe nicht, dass Norbert Röttgen bis Sonntagabend, 18 Uhr, als der hervorragende Umweltminister galt, der er war, und heute entlassen wird." Es klingt, als stünde der Landesverband voll hinter seinem einstigen Vorsitzenden. Doch intern rumort es. Von vielen Seiten ist zu hören, selbst Laumann habe während des Wahlkampfs Probleme mit Röttgens Stil gehabt.

16 Ausgleichsmandate für die Union

Olaf Lehne beispielsweise, die letzten sieben Jahre Landtagsabgeordneter für den Düsseldorfer Norden, findet die Entscheidung von Angela Merkel "klug und richtig". Das Wahlergebnis sei ein "politischer Blattschuss", daher habe an Norbert Röttgens Entlassung aus dem Bundeskabinett kein Weg vorbeigeführt. "Da fährt einer einen Landesverband in die Wicken, und dann will er seinen Posten als Bundesminister behalten? Das geht nicht!" Lehne hat am Sonntag (13.05.2012) seinen Wahlkreis verloren. Sein Mandat galt als sicher, deswegen stand er auf der Landesliste nur auf Platz 90. Zwar erhält die CDU durch die vielen Überhangmandate der SPD satte 16 Ausgleichsmandate und hat mit 67 Abgeordneten genauso so viele wie in der vergangenen Legislaturperiode. Für Lehne reicht es aber nicht. Er muss sein Landtagsbüro räumen.

Große Verunsicherung in der Union

Die Union wirkt verunsichert. Je länger das Debakel zurückliegt, desto deutlicher wird das. Philipp Lerch, der Vorsitzende des Kreisverbandes Bonn, der politischen Heimat von Norbert Röttgen, will dessen Entlassung nicht kommentieren. Er bedauert aber Röttgens Rückzug aus dem Kabinett, "weil er ein überzeugter Anwalt für die Einhaltung des Berlin-Bonn-Gesetzes war". Dieses Engagement werde man in Bonn sehr vermissen. So bemüht Lerch ist, Röttgens Verdienste für die Bundesstadt herauszustellen, wird auch klar, wie sehr er den Wahlkampf seines Verbands-Kollegen misslungen fand: "Es hat an Klarheit, Präzision und Überzeugungskraft gefehlt", sagt Lerch. Dass Röttgen sich nicht auf Nordrhein-Westfalen habe festlegen wollen, sei "ein entscheidender Aspekt" der Niederlage gewesen. "Mit dieser offenen Flanke haben wir viele Mitglieder an der Basis verunsichert." Trotz aller Kritik ist Lerch wichtig: "Norbert Röttgen hat mit Blick auf den Landesverband die volle Verantwortung übernommen", das verdiene Respekt.

"Im Wahlkampf von Grundsätzen verabschiedet"

Viele Parteimitglieder wollen sich überhaupt nicht äußern: Kein Kommentar, heißt es zahlreich auf Anfrage. Auch das ist ein Zeichen für die tiefe Schneise der Ratlosigkeit, die Röttgen in der NRW-CDU hinterlassen hat. Für Olaf Lehne ist klar: "Wir müssen uns völlig neu aufstellen, neuer Vorsitzender, neuer Generalsekretär, kompletter Neuanfang." Ausdrücklich in Schutz nimmt er Karl-Josef Laumann und Armin Laschet, die "hervorragende Arbeit geleistet" hätten. Aber auch inhaltlich sei jetzt eine Rückbesinnung auf alte Stärken notwendig. "Wir haben uns im Wahlkampf von einigen Grundsätzen verabschiedet, was viele Wähler nicht verstanden haben", so Lehne. Dass Röttgen auf Studiengebühren verzichten wollte, sei ein Punkt. Aber auch, dass er nur über Schulden gesprochen habe, aber nicht sagen wollte, wo man sparen könnte. "Die Leute wollen eine gerade, eindeutige Meinung", ist Lehne überzeugt. Warum hat der Landesverband dann nicht schon früher gegengesteuert? "Als Röttgen aufs Parkett gehoben worden ist, hätte niemand gedacht, dass dabei so wenig Inhalt herauskommt."

Langsam kristallisiert sich heraus, wie schwierig die Wochen werden, die die Union jetzt vor sich hat. Die Volkspartei hat in NRW eine Rundumerneuerung vor sich.