Neuer Braunkohle-Kompromiss

Rot-Grün verkleinert Garzweiler II

Stand: 28.03.2014, 16:27 Uhr

Die rot-grüne Landesregierung hat sich im März 2014 nach massiven Protesten von Anwohnern auf eine Verkleinerung von Garzweiler II geeinigt. Rund 1.600 Menschen müssen ihre Häuser verlassen, rund 1.500 Einwohner bleiben verschont.

Es gebe nun "Klarheit", sagte NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Freitag (28.03.2014) bei einer Pressekonferenz in Düsseldorf. Der Braunkohletagebau in GarzweilerII werde "nicht zeitlich, aber räumlich" eingeschränkt, sagte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Beide Seiten sprachen von einem "Kompromiss". Die Grünen hatten sich für eine möglichst schnelle Abwicklung der Braunkohle-Förderung im rheinischen Revier ausgesprochen. Die Sozialdemokraten halten die Braunkohle mittelfristig bei der Energieversorgung für dringend notwendig. Die Einigung von Rot-Grün kam überraschend.

Die Garzweiler-Entscheidung und die Folgen

Aktuelle Stunde 17.12.2013 03:03 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR

Dritter Abschnitt wird umgesiedelt

Konkret einigten sich die Koalitionspartner darauf, dass der sogenannte "dritte Umsiedlungsabschnitt" mit den Gemeinden Beverath, Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich und Unterwestrich - wie vom Kohlekonzern RWE geplant - zwangsumgesiedelt wird. 1.620 Menschen müssen im nächsten Jahrzehnt ihr Haus verlassen. Die Braunkohle-Bagger rollen an. Weite Teile des Dorfs Holzweiler bei Erkelenz werden dagegen nicht mehr umgesiedelt.

"Wir schließen ein Kapitel"

NRW-Ministerpäsidentin Hannelore Kraft (SPD) am 18.12.2013 im Landtag

Kritik am Haushaltsplan 2014 für NRW

Bis Ende April 2014 musste die Landesregierung rechtlich den nächsten Umsiedlungs-Beschluss vorbereiten. Im Zuge dieser notwendigen Verwaltungsentscheidung haben SPD und Grüne nun ihren Kompromiss ausgehandelt. Auffällig war, wie gegensätzlich Sozialdemokraten und Grüne die Vereinbarung interpretierten. Ministerpräsidentin Kraft betonte die "energiewirtschaftliche Notwendigkeit, Braunkohle abzubauen". Umweltminister Remmel sagte: "Wir schließen ein Kapitel." SPD-Fraktionschef Norbert Römer ergänzte, bis weit in die 2020er Jahre werde weiter Kohle abgebaut. Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen sprach von einer "Befreiung" für viele Menschen im Revier. Laut Kraft wird kein Enddatum für den Tagebau festgelegt. Jährlich können weiterhin bis 100 Millionen Tonnen Kohle abgebaut werden. Immerhin will das Land nun prüfen, ob der umstrittene Braunkohletagebau Garzweiler II über das Jahr 2030 hinaus fortgesetzt wird.

Streitthema seit 30 Jahren

Die Braunkohle im rheinischen Revier ist seit über 30 Jahren ein Streitthema in NRW - politisch und juristisch. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht den Braunkohletagebau in einem Urteil aus dem Dezember 2013 gebilligt. Die behördliche Zulassung des Vorhabens sei verfassungsgemäß. Es gebe auch keinen Anlass, die energiepolitische Entscheidung in Nordrhein-Westfalen zu beanstanden. (Aktenzeichen: 1 BvR 3139/08 und 3386/08). Allerdings stärkten die Richter die Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener bei künftigen Großvorhaben, die mit Umsiedlung und Enteignung verbunden sind. Grundsätzlich bedeutete das Karlsruher Urteil, dass es für die Bewohner der Abbaugebiete kein Recht auf Heimat gibt.

Mit dem Beschluss des höchsten Gerichts war klar, dass erneut Tausenden die Zwangsumsiedlung droht. Nach den ursprünglichen Plänen des Kohlekonzerns RWE sollten im Rheinland weitere 3.000 bis 4.000 Menschen umziehen. Ein Höhepunkt im politischen Streit um den Tagebau waren 1995 die schweren Konflikte bei den Koalitionsverhandlungen von Rot-Grün gewesen. Der Rahmenbetriebsplan wurde 1997 zugelassen - eine schwere Schlappe für die Grünen, die dennoch in der Regierung blieben. Auch in die Folgejahren sorgte Garzweiler immer wieder für Zoff in der Landesregierung.

Insgesamt 35.000 Menschen umgesiedelt

Der Braunkohletagebau ist nicht nur wegen seines vergleichsweise hohen Ausstoßes von Kohlendioxid umstritten, sondern auch wegen der großen Eingriffe in die Natur. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden im Rheinischen Revier 35.000 Menschen wegen des Tagebaus umgesiedelt. Für die Gebiete Garzweiler I und II mussten rund ein Dutzend Ortschaften weichen. Im vergangenen Jahr war über ein vorzeitiges Aus von Garzweiler II bereits im Jahr 2017 oder 2018 spekuliert worden. Der Betreiber RWE steht unter anderem wegen der Folgen der Energiewende wirtschaftlich unter Druck.