Salafisten in Bonn nach Provokationen durch Pro NRW

Nach den Ausschreitungen in Bonn

Zentralrat der Muslime verurteilt Gewalt

Stand: 07.05.2012, 16:09 Uhr

Nach den Krawallen in Bonn zwischen radikalislamischen Salafisten und Vertretern der rechtsextremen Gruppierung "Pro NRW" hat sich am Montag (07.05.2012) der Zentralrat der Muslime (ZMD) von gewaltbereiten Muslimen distanziert.

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) distanzierte sich am Montag (07.05.2012) "ausdrücklich von gewaltbereiten Muslimen, die zur Selbstjustiz anstacheln und die Polizei angreifen". Auf die Provokationen von "Pro NRW" mit Gewalt zu reagieren, sei "nicht die Sache friedliebender Muslime, weil dies unislamisch ist und obendrein den Rechten in die Hände spielt", sagte die ZMD-Generalsekretärin Nurhan Soykan. Zugleich wünschte sie den beiden verletzten Polizisten "gute Besserung und schnelle Genesung".

Haftbefehl wegen Mordversuchs an Polizisten

Bei den Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der rechtsextremen Gruppierung Pro NRW und radikalen Salafisten vor der König-Fahd-Akademie in Bonn waren am Samstag (05.05.2012) 29 Polizisten verletzt worden. Insgesamt gab es über 100 Festnahmen. Am Montag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass gegen einen mutmaßlichen Islamisten Haftbefehl erlassen wurde wegen dreifachen versuchten Mordes an Polizisten. Der 25-Jährige aus Hessen habe den Angriff auf zwei Polizeibeamte gestanden, sagte Oberstaatsanwalt Robin Faßbender. Er bestreite aber jedwede Tötungsabsicht.

Attacken auf Polizeivideo festgehalten

Laut Ermittlungsbehörden nannte der Beschuldigte als Tatmotiv, dass die rechten Demonstranten Mohammed-Karikaturen gezeigt hätten. Dies habe die Muslime beleidigt. Die Polizisten hätten die Provokation nicht verhindert. Die Attacken des 25-Jährigen wurden auf einem Video der Polizei festgehalten. Er ist bereits wegen mehrfacher gefährlicher Körperverletzung bei der Polizei bekannt.

Polizisten mit Messer angegriffen

Laut Oberstaatsanwalt Bernd König hatte der Verdächtige mit einem Messer auf drei Polizisten eingestochen, nachdem die Gegendemonstration eskaliert war. Zwei von ihnen erlitten schwere Verletzungen und mussten im Krankenhaus operiert werden. Lebensgefahr bestehe für die 30-jährige Kommissarin und den 35-jährigen Kommissar jedoch nicht.

Schockiert über das Ausmaß

Auf einer Pressekonferenz, an der auch NRW-Innenminister Ralf Jäger teilnahm, äußerten sich Polizei und Minister am Sonntag (06.05.2012) schockiert über das Ausmaß der Gewalt. "Die systematischen Provokationen der Rechtsextremisten rechtfertigen in keinster Weise diese Ausschreitungen", sagte Jäger. "Das waren keine spontanen Angriffe, denn die Salafisten hatten zuvor intensiv bundesweit für ihre Aktion mobilisiert." Nach Einschätzung der Bonner Polizei waren gewaltbereite Salafisten aus ganz Deutschland zu der Kundgebung nach Bonn gereist.

Jäger will Provokationen unterbinden

Als Konsequenz aus den Angriffen versuchte Jäger erneut, "Pro NRW" die Provokation mit Mohammed-Karikaturen zu verbieten. Man müsse die Beamten vor den gewalttätigen Angriffen der radikalislamischen Salafisten schützen, ergänzte er. Deswegen habe er erneut Auflagen erteilt, wonach "Pro NRW" die islamkritische Karikatur bei ihren Aktionen nicht zeigen dürfe.

Gericht erlaubt Zeigen von Mohammed-Karikaturen

Das Verwaltungsgericht Minden gab allerdings am Montagmorgen einem Eilantrag von "Pro NRW" gegen die neue Auflage bei einer Kundgebung in Bielefeld-Brackwede statt. Es gebe keine zwingenden Hinweise auf eine veränderte Bedrohungslage, die von der Polizei nicht auch mit "normalen Mitteln" beherrscht werden könne, hieß es in der Begründung. Es handelt sich schon um den zweiten vor Gericht gescheiterten Versuch des Innenministers, die Karikaturen bei Kundgebungen der rechtsextremen Gruppierung vor Moscheen zu verbieten.

Steine und Flaschen auf Polizisten

Weniger als 30 Rechtesextreme waren nach Polizeiangaben am Samstag zu der Kundgebung in Bonn gekommen. Sie standen etwa 400 gewaltbereiten Gegendemonstranten gegenüber. Um die Situation zu entschärfen, parkte die Polizei zwischen den beiden Gruppen Mannschaftswagen. Als die Mohammed-Karikaturen gezeigt wurden, eskalierte die Gewalt. Steine und Flaschen flogen, Polizeiwagen wurden demoliert. "Es handelt sich offensichtlich um Gegendemonstranten aus dem salafistischen Umfeld, die da agiert haben. Wir haben allerdings auch die Provokation von Pro NRW in der Form nicht mehr hingenommen, indem wir die Veranstaltung frühzeitig beendet haben", sagte Polizeisprecher Harry Kolbe im WDR Fernsehen. Nach rund 45 Minuten beendeten die Beamten die Kundgebung.

Rat der Muslime versuchte zu deeskalieren

Die etwa 150 friedlich demonstrierenden Muslime reagierten ebenfalls schockiert auf die Vorfälle - wenn auch nicht überrascht. Der Sprecher des Bonner Rats der Muslime, Moussa Acharki, hatte im Vorfeld dazu geraten, der Veranstaltung fernzubleiben: "Wir haben eigentlich einen Aufruf gemacht, gar nicht zur Fahd-Akademie zu kommen. Aber auf Facebook gab es schon so viele Einladungen, dass das nicht möglich war." Acharki hatte am Samstag noch vom Podium aus versucht, die Gruppe der gewalttätigen Gegendemonstranten zu beruhigen - ohne Erfolg.

Innenminister: Gezielte Provokation

Im WDR Fernsehen warf NRW-Innenminister Jäger den Rechtsextremisten gezielte Provokationen gegen gewalttätige Salafisten vor: "Pro NRW ist eine Splitterpartei, die ein Biedermann-Image pflegt, aber tatsächlich rechtsextremistisch ist und die ganz gezielt extremistische, gewalttätige Salafisten provoziert, um Aufmerksamkeit zu erregen." Gleichzeitig betonte der Minister die friedliche Haltung der überwiegenden Mehrheit der vier Millionen Muslime in NRW. "Die Muslime, die hier leben, wollen mit den Salafisten nichts zu tun haben", sagte der Minister. Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Salafisten in Deutschland auf etwa 2.500.