Anschlag auf Kölner Keupstraße
Hat Innenministerium Motive verschwiegen?
Stand: 29.11.2012, 12:39 Uhr
Wollte das NRW-Innenministerium nach dem Anschlag auf der Keupstraße vertuschen, dass es sich um einen rechtsextremistischen Anschlag handelte? Dokumente, die dem WDR-Magazin Westpol vorliegen, scheinen das zu belegen. Innenminister Jäger hat den Verdacht am Donnerstag (29.11.2012) zurückgewiesen.
Von Rainer Kellers
Westpol liegen vertrauliche Unterlagen aus dem Lagezentrum des Innenministeriums vom Tag des Anschlags an der Kölner Keupstraße vor. Daraus geht hervor, dass das Landeskriminalamt (LKA) kurz nach dem Anschlag eine Meldung an das Düsseldorfer Innenministerium schickte mit dem Hinweis, der Nagelbombenanschlag sei als "terroristische Gewaltkriminalität" einzustufen. Wenige Minuten nach Eingang des Berichts entscheidet das Ministerium laut Westpol, den Begriff "terroristischer Anschlag" aus dem Schriftverkehr zu streichen.
Sollte damit Einfluss auf die weiteren Ermittlungen genommen werden? Wurden die Ermittlungen gar absichtlich in eine falsche Richtung gelenkt, was dazu führte, dass auch später wichtige Hinweise auf das ostdeutsche Mord-Trio übersehen wurden? Die CDU im NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin hat diesen Verdacht geäußert. Und auch die CDU im Düsseldorfer Landtag verlangt Aufklärung über die Vorgänge vom 9. Juni 2004. Am Donnerstag musste sich der heutige Innenminister des Landes, Ralf Jäger (SPD), in einer Sondersitzung des Innenausschusses den Fragen stellen.
"Schnelligkeit hatte Vorrang vor Präzision"
Jäger wies dabei den Verdacht zurück, das damals ebenfalls SPD-geführte Innenministerium unter Fritz Behrens habe Einfluss auf die Aufklärungsarbeit genommen. Die Beweisführung überließ er aber Wolfgang Düren, der im Innenministerium für den Bereich Polizei zuständig ist. Der beschrieb den Kommunikationsablauf des damaligen Tages folgendermaßen: Das LKA habe eine gute Stunde nach der Bombenexplosion einen ersten Bericht geschickt. Allerdings nicht ans das Innenministerium, sondern an das Lagezentrum der Polizei, das wenig später Innenminister Behrens informierte. In dem ersten Lagebericht sei tatsächlich von einem "terroristischen Anschlag" die Rede gewesen. Allerdings habe diese "Lageerstmeldung" lediglich dazu gedient, der Pflicht nachzukommen, unverzüglich zu berichten. Einen gesicherten Kenntnisstand habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. "Schnelligkeit hatte Vorrang vor Präzision", sagte Düren.
Ministerium verweigert Herausgabe von Protokollen
Wenig später dann, so Düren weiter, sei in der internen Kommunikation der Polizei das Wort "terroristisch" gestrichen worden. Wer das veranlasst hatte, konnte Düren nicht sagen. Im Protokoll sei nicht vermerkt, wer es war. Düren schloss aber aus, dass die Anweisung "von außen" kam, also aus dem Innenministerium. Eine solche Einflussnahme wäre ansonsten im Protokoll des Lagezentrums vermerkt worden. Ob das so stimmt, konnte der Innenausschuss zunächst nicht klären. Die entsprechenden Protokolle wollte Düren nicht an die Abgeordneten herausgeben, da sie derzeit dem Untersuchungsausschuss in Berlin vorlägen. Jetzt soll geklärt werden, ob die Unterlagen dem Landtag zugänglich gemacht werden können.
Unabhängig davon, wer das so bedeutsame Wort gestrichen hat, betonte Düren, dass Korrekturen an einer Lageerstmeldung durchaus üblich und auch aus heutiger Sicht nachvollziehbar seien. Es sei damals nicht klar erkennbar gewesen, dass Rechtsextremisten den Anschlag verübt hatten. Die Ermittlungen sollten entsprechend nicht darauf "verengt" werden. Düren widersprach zudem der Darstellung, schon damals sei ein rechter Anschlag ausgeschlossen worden.
"Fast alle Fragen sind unbeantwortet geblieben"
Wenig zufrieden zeigten sich nach der Sitzung die Abgeordneten von CDU und FDP. "Fast alle unserer Fragen sind unbeantwortet geblieben", klagt der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Theo Kruse. Es müsse geklärt werden, wer die politische Verantwortung für die Fehleinschätzung nach dem Bombenanschlag habe. Die SPD hält die Schuldzuweisung an die Adresse des damaligen Innenministers Behrens für "unerträglich". Offenbar versuche die CDU, "parteipolitische Manöver", um den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück - damals Ministerpräsident in NRW - zu beschädigen, sagt der SPD-Abgeordnete Ibrahim Yetim.
In der nächsten Sitzung des Innenausschusses am 6. Dezember soll das Thema erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden.