Vielfalts-Check: Klareres Bild von Diversity
2021 und 2022 fanden Vielfalts-Checks in den Lokalzeit-Redaktionen statt. Als Kritiker:innen holten sie sich Expert:innen mit Einwanderungsgeschichte ins Boot. Ein Gespräch mit Tilman Rauh, dem Leiter der Landesstudios, über die Erkenntnisse aus dem Feedback und die Neuauflage der Checks.
Was waren die Ergebnisse der ersten Vielfalts-Checks?
Tilman Rauh: Die Expert:innen waren teilweise sehr überrascht, wie gut und nah die Lokalzeit über ihr Umfeld berichtet, und dass Diversität durchaus schon eine Rolle spielt. Einigen war das aber noch nicht genug. Sie fanden, dass die Mehrheit der Protagonist:innen nicht repräsentativ für die gesamte Gesellschaft sind – an der einen oder anderen Stelle fehlten ihnen migrantische Vertreter:innen.
Es wurde angeregt, Vielfalt als Normalität zu zeigen, und Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht nur dann zu interviewen, wenn es um Themen geht, die sie speziell betreffen. Wenn unsere Reporterin zum Beispiel eine Pflegekraft zum Pflegenotstand oder einen Gastronom nach Umsatzeinbußen durch Corona befragt, dann könnte das auch öfter jemand mit internationaler Biografie sein.
Die zweite Erkenntnis war: Vielfalt muss sich auch in den Teams widerspiegeln. Leute mit Einwanderungsgeschichte blicken nochmal anders auf Themen und bringen vielleicht andere Aspekte in die Redaktionskonferenz ein. Vielfalt vor und hinter der Kamera ist aber auch wichtig, um nach außen zu zeigen, dass das zur gesellschaftlichen Normalität gehört.
Was waren die Konsequenzen dieser Kritik?
Tilman Rauh: Ich erlebe Redaktionskonferenzen, in denen das Thema Diversität eine stärkere Rolle spielt als vorher. Es wird täglich darüber diskutiert, ob wir da den richtigen Zugang haben. Schauen wir auch mal aus einem anderen Blickwinkel auf das aktuelle Geschehen in einer Region? Haben wir auch den Blick auf den Alltag der Menschen mit Einwanderungsgeschichte?
Vielfältigere Teams können wir natürlich nicht von jetzt auf gleich aufbauen. Aber wir achten in der Personalauswahl darauf, dass wir die Gesellschaft in ihrer Gänze repräsentieren. Wir versuchen, Menschen mit diversen Hintergründen in die Teams zu bekommen. Diversität bezieht sich dabei nicht nur auf Migrationsgeschichten, sondern auch auf andere Faktoren wie unterschiedliche Geschlechter, soziale Herkunft, unterschiedliches Alter oder, dass jemand nicht aus der Stadt, sondern vom Land kommt.
Hat sich die Lokalzeit inhaltlich verändert?
Tilman Rauh: In der Tat hat sich da schon einiges verändert. Die Redaktion in Bonn achtet zum Beispiel bei der Recherche der Studiogäste darauf, dass auch Expert:innen mit Einwanderungsgeschichte eingeladen werden. Interviewpartner:innen bei Straßenumfragen sind diverser ausgewählt. Insgesamt haben die Menschen, die in der Lokalzeit zu sehen sind, häufiger eine internationale Biografie. Ein Beispiel aus Aachen: Da wird über den Alltag von Hebammen berichtet, und ganz selbstverständlich steht da Nyema Jabang vor der Kamera, die eine Ausbildung zur Hebamme macht und über ihre Erfahrungen redet.
In vielen Lokalzeit-Ausgaben war das Zuckerfest am Ende des Ramadan großes Thema, weil es für viele Zuschauer:innen so wichtig ist, wie für andere Weihnachten oder Ostern. Natürlich ist beim Thema Vielfalt in der Lokalzeit noch viel Luft nach oben, aber es entwickelt sich. Und die Teams sind sensibilisiert.