Porträtfoto Erfinder Chester Carlson (li.), erster Trocken-Fotokopierer

Stichtag

27. Oktober 1937 - Erste Patentanmeldung für einen Trockenkopierer

Mit Johannes Gutenberg beginnt vor fast 600 Jahren das Zeitalter des Druckens und des Vervielfältigens. Für die allermeisten Menschen aber bleibt simples Abschreiben noch lange die einzige Möglichkeit, Texte zu kopieren. Auch die Erfindung der Schreibmaschine samt Kohlepapier bringt nur einen kleinen Fortschritt. Mehr als fünf Durchschläge sind kaum möglich, wobei der harte Typenanschlag auf der ersten Seite oft hässliche Löcher hinterlässt und der Text auf der letzten Seite kaum mehr lesbar ist.

Noch komplizierter bleibt die Vervielfältigung von Zeichnungen. Sie müssen weiter fotografisch kopiert werden, was den Einsatz von Chemikalien und Dunkelkammern erfordert. Darüber ärgert sich Chester Carlson, der in den 1930er Jahren für eine New Yorker Elektronikfirma mühsam Patentschriften und -skizzen vervielfältigen muss. Schon als Junge hatte sich der 1906 geborene und in armen Verhältnissen aufgewachsene Carlson vorgenommen, Erfinder zu werden und deshalb Physik und Patentrecht studiert.

Kopieren durch elektrische Ladung

"Ich dachte", schreibt Carlson später, "wenn ich eine Erfindung machen würde, könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: der Welt etwas Gutes tun und mir selbst auch." Auf der Suche nach einem effizienteren Kopiersystem experimentiert Carlson in seiner Wohnung erst mit stinkenden Chemikalien, was aber zu Ärger mit den Nachbarn führt. So durchstöbert er Bibliotheken und Wissenschaftsmagazine und kommt auf die Idee, Kopien trocken, also auf rein physikalischem Wege herzustellen. Im Oktober 1937 meldet er für seine Theorie der sogenannten Elektrofotografie ein vorläufiges Patent an.

Mithilfe seines Physiker-Kollegen Otto Kornei macht sich Carlson in Astoria, Queens, an die praktische Umsetzung des Verfahrens. Das Prinzip basiert auf einer elektrostatisch aufgeladenen, mit Schwefel beschichteten Zinkplatte. Eine darauf liegende, von Kornei mit "10.-22.-38 ASTORIA" beschriftete Glasplatte wird von oben in einem verdunkelten Raum belichtet. Dort, wo das Licht vom Schwefel ungehindert auftrifft, verschwindet die elektrische Ladung. Wo die Schrift aber einen Schatten wirft, bleibt die Ladung auf der Zinkplatte erhalten. Dann bestäubt Carlson die Zinkplatte mit Bärlappsamen. Das Bildpulver - heute Toner genannt - bleibt an der noch vorhandenen Ladung haften.

Vom Mittelständler zum Weltkonzern

Als Carlson das überschüssige Bildpulver wegbläst, wird die übertragene Schrift sofort sichtbar. Zuletzt presst er Wachspapier auf die Zinkplatte und fixiert durch Erwärmung Korneis Notiz, die Datum und Ort des Versuchs kennzeichnet. Damit halten Carlson und Kornei am 22. Oktober 1938 die erste Trocken-Fotokopie der Welt in Händen. Doch trotz ständiger Weiterentwicklung der Elektrofotografie kann Carlson Großunternehmen wie IBM oder General Electric nicht für seinen Kopierapparat interessieren. Erst die mittelständische Haloid Company erkennt 1946 das kommerzielle Potenzial der Erfindung.

Haloid entwickelt Carlsons Gerät zur Serienreife und ändert die Bezeichnung Elektrografie nach dem griechischen Wort "xeros" für trocken in Xerografie. Drei Jahre später stellt das Unternehmen mit dem Modell A den ersten Trocken-Kopierer der Welt vor, wechselt seinen Namen und steigt als Xerox Corporation mit Fotokopierern zum Weltkonzern auf.

Patente und Tantiemen machen Chester Carlson zum schwerreichen Mann, der sein Versprechen hält, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Bis zu seinem Tod 1968 unterstützt er Wohltätigkeitsorganisationen anonym mit Millionen von Dollar. Durch seine Erfindung hat er unsere Welt ähnlich geprägt wie Gutenberg mit seiner Druckerpresse. Und uns ein gefürchtetes Wort hinterlassen: "Papierstau".

Stand: 27.10.2012

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