Der FDP Politiker Wolfgang Mischnick in den 70er Jahren

Stichtag

6. Oktober 2002 - Wolfgang Mischnick stirbt in Bad Soden

Auf den ersten Blick wirkt er nicht wie ein erfolgreicher Politiker: Wolfgang Mischnick gilt als schlechter Redner, unauffällig und nicht telegen. "Was er sagte, war nicht schlecht", erinnert sich der FDP-Politiker Gerhart Baum, der mit seinem Parteifreund viele Jahre im Bundestag gesessen hat. "Aber wenn er anfing, leerte sich der Saal. Er erreichte die Kollegen nicht."

Trotzdem ist Mischnick 23 Jahre lang FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Er hat Eigenschaften, die die Partei zusammenhalten. Er agiert diskret, loyal und integer. "Für mich kommt es niemals darauf an: Wie wirkt es nach draußen", so Mischnick. Ihm ist wichtig, was er nach innen bewirkt. "Er war ein guter Ratgeber", sagt Weggefährte Baum. Aber Mischnick sei auch knallhart bei der Umsetzung von politischen Entscheidungen gewesen. Und er habe das Haus FDP in Ordnung gehalten.

Flucht aus Ost-Deutschland

Geboren wird Wolfgang Friedrich Adolf Mischnick am 29. September 1921 in Dresden. Nach dem Notabitur wird er 1939 zur Infanterie eingezogen und während des Zweiten Weltkrieges mehrfach verwundet. Im Sommer 1945 beteiligt er sich in seiner Geburtsstadt an der Gründung der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und ist unter anderem bald Stadtverordneter. Als er nach Auseinandersetzungen mit FDJ-Funktionären mit einem Schreib- und Redeverbot belegt wird, flieht er 1948 in den Westen nach Frankfurt am Main. Dort arbeitet er zunächst als Versicherungsvertreter und Journalist, bevor er 1950 bei der hessischen FDP hauptamtliche Aufgaben übernimmt. Er macht in der Partei zügig Karriere: 1954 wird er Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, drei Jahre später wird er Bundestagsabgeordneter.

Anfang der 1960er Jahre ist Mischnick in Konrad Adenauers (CDU) letztem Kabinett Bundesminister für Vertriebene und Flüchtlinge. Jahrzehntelang arbeitet er beharrlich auf eine mögliche Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hin: "Auf die Dauer wird der Freiheitsgedanke stärker sein als die Mauer." In geheimen Treffen mit dem damaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, versucht er zum Beispiel, Reiseerleichterungen zu erreichen. Ebenso pragmatisch stemmt er sich gegen Spaltungstendenzen in seiner Partei. Denn nachdem Mischnick 1968 Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Bundestag geworden ist, wechselt die FDP zwei Mal den Koalitionspartner: 1969 kommt es mit der SPD zu einer sozialliberalen Koalition, 13 Jahre später droht ein neuer Wechsel die Partei zu zerreißen. Längst nicht alle in der FDP wollen in eine Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wechseln.

"In-sich-ruhen" als Erfolgsrezept

Auch Mischnick selbst will den Wechsel in die schwarz-gelbe Koalition nicht - trotzdem trägt er die Entscheidung der FDP-Führung mit. Obwohl er sich dem Sozialdemokraten Herbert Wehner sehr verbunden fühlt. Mit ihm hat Mischnick jahrelang in Sachen Ostpolitik eng zusammengearbeitet: "Es tut mir weh, dass wir so auseinandergehen müssen. Herr Kollege Wehner, meine Hochachtung bleibt."

Mischnick, der 1991 den Fraktionsvorsitz abgibt, sagt einmal: "Das In-sich-ruhen - damit kam ich voran." 1994 scheidet er schließlich nach 37 Jahren Parlamentsarbeit aus dem Bundestag aus. Wenige Tage nach seinem 81. Geburtstag stirbt Mischnick am 6. Oktober 2002 in einem Krankenhaus in Bad Soden im Taunus.

Stand: 06.10.2012

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