Nach der Schule arbeitet Hergé als Hilfsbursche bei "XXième Siècle", einer katholischen Zeitung. "Bei der Zeitung kam über mir der Redakteur, und über dem Redakteur kam der Reporter", wird sich der Comiczeicher später erinnern. "Das waren große Journalisten, reisende Berühmtheiten. Und ich beschloss, aus Tintin auch einen Reporter zu machen, der die Welt sehen konnte."
Es ist die geistige Geburtstsunde von Tintin und Milou – zu deutsch: Tim und Struppi. Für viele sind die Abenteuer des rasenden Reporters mit der markanten Tolle, der mit seinem weißen Hund rund um die Welt und - 16 Jahre vor Neil Armstrong - auch auf dem Mond seine Abenteuer erlebt, der Beginn der europäischen Comic-Kunst.
Totor wird Tintin
Geboren wird Hergé am 22. Mai 1907 als Georges Remi in Etterbeek bei Brüssel. Schon früh signiert er seine Zeichnungen mit seinen umgedrehten Initialen "RG", in französischer Aussprache Hergé. Als Jugendlicher erfindet er die Comicfigur Totor, die auf amerikanische Vorbilder verweist und später zu Tim mutiert. Sie wird ihn ein Leben lang begleiten.
In der Kinderbeilage des "XXième Siècle" erscheint 1929 das erste Abenteuer von Tim und Struppi: "Tim im Lande der Sowjets". Es ist eine gegen die Sowjetunion agitierende Auftragsarbeit, deren Ressentiments Hergé ebenso wie die des Nachfolgers "Tim im Kongo" (1930), der dem belgischen Kolonialismus huldigt, vom Chefredakteur der katholischen Zeitung aufgezwungen wird.
Hergé ist naiv genug, um sich vereinnahmen zu lassen: weil er einfach nur seine "Tintin"-Geschichten publizieren will - auch 1940, als die Nationalsozialisten Belgien besetzen und der Comiczeichner beim deutschen Propagandablatt "Le Soir" weiterzeichnet.
Klare Striche, keine Schatten
Nach den 2. Weltkrieg erhält Hergé Veröffentlichungsverbot. Seine Rettung ist, dass auch Mitglieder der Résistance gerne "Tim und Struppi" gelesen haben. Einer von ihnen gründet das Magazin "Tintin", das ab 1945 Hergés Comics veröffentlicht.
In dieser Zeit findet Hergé entgültig zu seinem detailversessenen, geometrisch aufgebauten Stil: klare Linien dominieren die Bilder, die im Sonnenlicht keine Schatten kennen. Der Stil wirkt später bis in die Werbe- und Gebrauchsgrafik hinein.
Hergés Comics werden in 70 Sprachen übersetzt, über 200 Millionen Alben verkauft. Kurz vor seinem Tod soll er gesagt haben, dass niemand seine Geschichten verfilmen könne – außer vielleicht ein junger Regisseur namens Steven Spielberg. Der erfüllt dem Zeichner und sich selbst 2011 den Traum, aber da ist Hergé schon tot. Er stirbt 1983 in Woluwe-Saint-Lambert bei Brüssel.
Stand: 22.05.2012
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