Ihre Karriere verdankt Erika Fuchs einer Notlüge. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet die Übersetzerin zunächst freiberuflich für die Redaktion von "Reader’s Digest" in Stuttgart. Als immer mehr Männer ins Geschäft dringen, muss sie vor Ort beim Geschäftsführer um jeden Auftrag kämpfen. 1951 sitzt sie einmal mehr in seinem Büro. Das Gespräch kommt darauf, dass Fuchs in der Nachkriegszeit in ihrer Heimat eine Schule aufgebaut hat. "Sind Sie Pädagoge?", will der Mann ihr gegenüber wissen. "Und da sagte ich stolz: ja", wird sich Fuchs später erinnern. "Obgleich ich im wörtlichen Sinn nicht Pädagogin war, aber wenn man Kinder hat, ist man das ja irgendwie." Da zieht der Geschäftsführer ein Mickey-Mouse-Heft aus der Schublade und fragt nach einer Übersetzung an.
Micky Maus soll pädagogisch sein
Geboren wird Erika Fuchs 1906 als Erika Petri in Rostock. Ihr Vater ist Direktor eines Elektrizitätswerks, die Mutter ausgebildete Sängerin. Mit Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskunst gelingt es ihr, als 14-Jährige mit einer Spezialerlaubnis von der höheren Töchterschule aufs Knabengymnasium zu wechseln. Danach studiert sie in Lausanne, München und London Kunstgeschichte, Archäologie und mittelalterliche Geschichte. Die Übersetzung für Walt Disneys "Mickey Mouse" will sie erst gar nicht annehmen. Aber ihr Mann rät ihr, die als Schund verschrienen Heftchen pädagogisch wertvoll ins Deutsche zu übertragen. Ihre Probeübersetzung 1951 ist offenbar so gelungen, dass ihr die Chefredaktion des Heftes übertragen wird.
Aus Uncle Scrooge wird Dagobert
In ihren Sprechblasen gibt Fuchs Walt Disneys Comic-Universum, vor allem in der Fassung des Zeichners Carl Barks, ein unverwechselbar neues Gepräge. Sie tauft das "Duckburgh" des Originals in Entenhausen um, verwandelt Uncle Scrooge in Dagobert Duck und Magica de Spell in Gundel Gaukeley. Donalds Neffen Tick, Trick und Track legt sie schon mal ein abgewandeltes Zitat aus Schillers "Wilhelm Tell" in den Mund ("Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, in keiner Not und waschen und Gefahr"); ihr Reim "Dem Ingeniör ist nichts zu schwör" wird ebenso Volksgut wie ihre Lautmalereien zu Geräuschen und Aktionen ("grübel, grübel").20 Jahre lang übersetzt Fuchs anonym. Erst während der 68er-Bewegung, deren Heroen in aller Öffentlichkeit provokativ "Micky Maus" lesen, wird ihr Name bekannt. Dazu trägt sicher auch bei, dass sie den Panzerknackern marxistische Vokabeln in den Mund legt, was den "Bayernkurier" zum Vorwurf provoziert, sie hätte den Kindern damit "APO-Phraseologie eingeimpft".Erika Fuchs ficht solche Kritik nicht an. Erst als die Augen schlechter werden, setzt sie sich 1988 als Disney-Übersetzerin zur Ruhe. Sie stirbt am 22. April 2005, knapp 99-jährig, in München.
Stand: 20.04.10