Rom war schon immer einen Beutezug wert. Das wissen bereits die Vandalen, als sie anno 455 der Ewigen Stadt einen einträglichen Besuch abstatten; das nutzen ebenso die Söldner Karls V. 1527 zu ihrem als Sacco di Roma berüchtigten Raubzug. Ein Mann der Gegenwart aber stellt alle Eroberer in den Schatten – mit den Waffen der Demokratie. In der Attitüde des strahlenden Volkstribun instrumentalisiert Silvio Berlusconi das traditionell instabile Parteiensystem Italiens, um als Regierungschef in Rom das ganz Land zur Beute zu nehmen. Keine 20 Jahre nach seinem Einstieg in die Politik 1983 wird das Vermögen des Medienunternehmers aus Mailand auf mehrere Milliarden Euro geschätzt.
Berlusconis erste Amtszeit als Regierungschef dauert nur wenige Monate. 1994 gewinnt das Mitglied der mächtigen Geheimloge P2 mit seiner Partei Forza Italia die Parlamentswahlen in Rom. Doch kaum im Amt, zerbricht die Regierung des 51. Ministerpräsident Italiens wieder, als die separatistische rechtsorientierte Lega Nord seine Mitte-Rechts-Koalition aufkündigt. Die Mitte-Links-Parteien übernehmen das Ruder - und haben nach fünf Regierungsumbildungen abgewirtschaftet. Mit triumphalen Ergebnissen bei den Parlamentswahlen am 11. Juni 2001 erobert Berlusconi das Ministerpräsidentenamt zurück – inzwischen aufgestiegen zum allmächtigen Medienzar Italiens.
Günstlinge verhindern Strafverfolgung
Die zweite Regierung Berlusconi privatisiert gewinnbringende Staatsbetriebe zu Gunsten einiger weniger Unternehmer und würdigt Bilanzfälschung zu einem Kavaliersdelikt herab. Sie ermöglicht die legale Rückführung von im Ausland geparktem Schwarzgeld und streicht Bußen für unerlaubtes Bauen; Kultur und Bildung werden mit Mini-Etats abgespeist. Vor allem kümmert sich Berlusconi um das Anwachsen seiner privaten Konten, den Ausbau seiner Macht und die Streichung hinderlicher Gesetzesparagrafen. Mitglieder seines Clans erhalten einflussreiche Posten in Politik und Verwaltung. Immer wieder gelingt es Berlusconi mit deren Hilfe, gegen ihn anhängige Strafverfahren niederzuschlagen oder zweifelhafte Freisprüche zu erreichen.
Nullwachstum und "Bunga-Bunga"-Parties
Seine europäischen Amtskollegen verstört der mit seiner Männlichkeit protzende Staatschef ein ums andere Mal durch provokante Querschläge und bizarre Auftritte. Unterdessen steigt Italiens Staatsverschuldung enorm, während die Kaufkraft sinkt. Selbst Unternehmerverbände üben nun offene Kritik an Berlusconis Wirtschaftspolitik, die dem Land fast ein Nullwachstum beschert hat. 2006 verliert der Forza-Italia-Chef die Wahlen gegen Romano Prodis Mitte-Links-Bündnis – die Ära Berlusconi scheint endgültig vorüber zu sein. Doch zwei Jahre später zerbricht Prodis Koalition an internen Streitereien, die dem Stehaufmännchen Berlusconi ein zweites Comeback bescheren. Seither sorgt der nach eigener Einschätzung "beste Staatsmann Italiens aller Zeiten" fast ausschließlich mit Sexskandalen um "Bunga-Bunga-Parties" und minderjährige Geliebte für Schlagzeilen.
Stand: 11.06.2011
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