Stichtag

29. Dezember 2008 - Vor 100 Jahren: Helmut Gollwitzer in Pappenheim geboren

Anfang der 1930er Jahre studiert Helmut Gollwitzer in Bonn bei Karl Barth. Dem umstrittenen Theologen aus der Schweiz kommt zu Ohren, Gollwitzer habe bei einer linken Versammlung die Internationale mitgesungen. "Sie machen ja große Fortschritte", lobt Barth seinen Schüler. Tatsächlich hatte der am 29. Dezember 1908 im fränkischen Pappenheim geborene Pfarrerssohn sich als Jugendlicher kurzzeitig für Hitlers SA begeistert.Als die Nationalsozialisten die Macht ergreifen, organisiert der junge Pfarrer jedoch die Bekennende Kirche mit, die sich der politischen Gleichschaltung widersetzt. Karl Barth schreibt dieser Kirche mit der "Barmer Erklärung" ihr Manifest. Gollwitzer arbeitet zeitweise eng mit Dietrich Bonhoeffer zusammen. 1938 übernimmt Gollwitzer in Berlin-Dahlem die Pfarrei von Martin Niemöller, der verhaftet wurde und bis 1945 im KZ Dachau gefangen bleibt. Gollwitzer wendet sich in Predigten gegen die Judenverfolgung. Er wird mehrfach verhaftet, erhält Redeverbot, wird schließlich zur Wehrmacht eingezogen. Als Sanitäter kommt er an die Ostfront und gerät in mehrjährige russische Kriegsgefangenschaft. Später deutet er die als Strafe Gottes für sein Mittun in der verbrecherisch eingesetzten Wehrmacht.

Auch in der Bundesrepublik bleibt Helmut Gollwitzer ein entschieden politischer Theologe. 1955 attackiert er die Pläne zur Wiederbewaffnung. Ab 1957 engagiert er sich als Professor an der Freien Universität in Berlin im christlich-jüdischen Dialog. 1962 möchte Karl Barth seinen Schüler gern als Nachfolger auf seinem Lehrstuhl in Basel sehen. Aber die Kantonsregierung verhindert die Berufung. 1967 solidarisiert Gollwitzer sich mit der linken Studentenbewegung. Rudi Dutschke nimmt er nach dem Attentat auf den Studentenführer zeitweise bei sich zu Hause auf. Das luxuriöse Gollwitzer-Domizil mit Garten und Swimming-Pool wird zum Treffpunkt vieler seiner Studenten. Einige wohnen stets zur Untermiete hier.

Gollwitzer bekennt sich zu einem demokratischen Sozialismus, was ihm ein Einreiseverbot in die DDR einbringt. Im Westen dagegen kommt er in den Ruf, ein Sympathisant der RAF zu sein. Dabei lehnt er den Terror ab, erkennt aber in Baader und Meinhof verirrte Kinder einer einmal gemeinsamen Sache. 1976 beerdigt er Ulrike Meinhof ebenso wie den verstorbenen Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Gollwitzer stirbt am 17. Oktober 1993.

Stand: 29.12.08