Es gibt nur eine Wahrheit. Und die findet sich in der Bibel. Davon sind die Zeugen Jehovas überzeugt. Mit gesellschaftlichen und demokratischen Gepflogenheiten geht das nicht immer einher. Zeugen Jehovas dürfen nicht wählen gehen. Sie lehnen Bluttransfusionen ab. Und verbieten gläubigen Freunden oder Familienmitgliedern den Kontakt zu Abtrünnigen.
Trotz all dieser Streitpunkte suchen die Zeugen Jehovas die Anerkennung des Staates. Genauer: Die Anerkennung ihres Körperschaftsstatus durch den Staat, der mit der Stellung einer Religionsgemeinschaft einhergeht.
Nur die eigene Bibelübersetzung hat Geltung
Historisch sind die Zeugen Jehovas ein spätes Ergebnis der sogenannten zweiten großen Erweckungsbewegung zur Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA, während derer als Gegenbewegung zur Aufklärung zahlreiche protestantische Religionsgemeinschaften entstehen. Gegründet werden sie dort 1870 vom "ernsten Bibelforscher" Charles T. Russel.
Seitdem ergeben sich alle moralischen Werte, die Lebensweise und der Umgang der Glaubensfamilie miteinander aus einer eigenen Bibelübersetzung. Die dazugehörenden Regeln werden von einigen wenigen "Geistgesalbten" in der Weltzentrale im US-Bundesstaat New York festgelegt. Rund acht Millionen Menschen weltweit befolgen sie. In Deutschland gibt es rund 220.000 im so genannten Predigtdienst aktive Zeugen Jehovas, die mit den Zeitschriften "Wachtturm" oder "Erwachet" in der Hand versuchen, neue Jünger zu gewinnen.
Den Versuch, das Weltende genau vorherzusagen, hat die Glaubensgemeinschaft inzwischen übrigens aufgegeben.
Anerkennung auch für erfahrenes Leid
Um die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bemühen sich die Zeugen Jehovas seit 1990. Am 10. Februar 2006 dann unterzeichnet die Senatsverwaltung in ihrem Hauptsitz Berlin die Anerkennung, im Sommer erfolgt die Bestätigung im Parlament. Damit sind die Zeugen Jehovas eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Das gewährt ihnen zum Beispiel die Möglichkeit, von ihren Mitgliedern Steuern einzuziehen oder ihre innerkirchlichen Strukturen nach eigenen rechtlichen Regeln zu organisieren.
Der Körperschaftsstatus ist nicht zuletzt auch eine späte Anerkennung für erfahrenes Leid. Vergeblich hatten die Zeugen Jehovas 1933 versucht, mit der "Wilmersdorfer Erklärung" ihre Existenz im Nationalsozialismus zu sichern. Als sie nach der Ablehnung den Treueeid auf Adolf Hitler verweigern, werden sie verfolgt. Hunderte sterben in den Konzentrationslagern des "Dritten Reichs".
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 10. Februar 2021 ebenfalls an Anerkennung des Körperschaftsstatus der Zeugen Jehovas. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 11.02.2021: Vor 95 Jahren: Geburtstag des Kochs Paul Bocuse