Fotoprobe Peer Gynt

24. Februar 1876 - Uraufführung von Henrik Ibsens "Peer Gynt"

Stand: 24.02.2021, 00:00 Uhr

"Peer, du lügst! Du lügst" Mit diesen Worten der zornigen Mutter fängt alles an. Im Theaterstück "Peer Gynt" des 1828 geborenen norwegischen Dramatikers Henrik Ibsen denkt sich die Titelfigur die tollsten Geschichten aus. Und erzählt dabei so mitreißend, dass schließlich auch die Mutter vor den Erzählungen ihres vergötterten Sohns kapitulieren und ihm gebannt zuhören muss.

Letztlich rettet sich der Held mit seinen Fiktionen aus einer für ihn unerträglich gewordenen Wirklichkeit: Sein Vater hat sich zu Tode getrunken und die Familie ins Unglück gestürzt. Beleidigt und gemobbt flieht Gynt in seine Märchen: Kaiser ist sein Traumberuf, von den Frauen begehrt, von den Männern bewundert. Er hetzt von einer Situation und einer Liebe zur nächsten. Bis er erkennen muss, dass in seinem Innern Leere herrscht.

UA Drama Peer Gynt (am 24.02.1876)

WDR 2 Stichtag 24.02.2021 04:16 Min. Verfügbar bis 22.02.2031 WDR 2


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Peer Gynt als historische Person

Aber ist Peer Gynt, den Ibsen aus den "Norwegischen Feenmärchen" von Peter Christen Asbjørnsen kennt, überhaupt eine Fiktion? Ibsen ist vom Gegenteil überzeugt. Anfang der 1860er Jahre macht sich der Autor zur Recherche für seine Dichtung auf die Reise zu den Gebirgen der Westküste Norwegens. Denn: "Peer Gynt hat wirklich existiert. Er lebte im Gudbrandstal, wahrscheinlich Ende des vorigen oder Anfang dieses Jahrhunderts."

So schreibt Ibsen an seinen dänischen Verleger. Da ist er schon knapp 40 und lebt nach enttäuschenden Jahren als Dramatiker und Dramaturg in Italien. Der Stoff um Peer Gynt interessiert ihn auch, weil er Parallelen zu seinem erfolglosen Leben enthält – inklusive der Flucht aus der Enge der Heimat.

Erkenntnissucher oder Weltflüchtling?

Zunächst konzipiert Ibsen "Peer Gynt" nicht als Theaterstück, sondern als dramatisches Gedicht. 1867 kommt es als Buch heraus – ein Jahr nach Ibsens Durchbruch mit dem Drama "Bond". Dann reift der Plan zu einer Bühnenfassung. In diesem Rahmen bittet Ibsen Edvard Grieg um die "nötige Musik". Gemeinsam mit Griegs eingängiger Musik wird "Peer Gynt" am 24. Februar 1876 uraufgeführt. Und wirkt bis heute. 

Tatsächlich stellt "Peer Gynt" die Regisseure immer noch vor Herausforderungen. Ist das Stück ein "einziges Plädoyer für den Eskapismus", wie Christopher Rüping vom Schauspielhaus Zürich meint? Oder ist der Held jener "Erkenntnissucher", als den Jan Bosse ihn 2009 mit dem Ausnahmeschauspieler Jens Harzer auf die Bühne des Hamburger Thalia Theaters brachte?

Oder ist Gynt – wie bei Stefan Bachmann vom Kölner Schauspielhaus – gar eine Art Vorläufer Donald Trumps, der die Lüge zur alternativen Wirklichkeit gemacht hat? Diese Vielschichtigkeit der Deutungsmöglichkeiten jedenfalls macht "Peer Gynt" zum besonders aktuellen Klassiker.​

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 24. Februar 2021 ebenfalls an die Uraufführung von "Peer Gynt". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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