Am 8. Mai 1945 endet für die Deutschen der Zweite Weltkrieg. "In den Ruinen von Berlin, fangen die Blumen wieder an zu blühen", besingt Marlene Dietrich jenen verstörend schönen Frühling, den die Menschen in den Trümmerwüsten der Städte erleben. "Und in der Nacht spürst du von allen Seiten, einen Duft als wie aus alten Zeiten."
Ausgebombt und ausgehungert sehnen sich die alleinstehenden Frauen nach Geborgenheit, Zärtlichkeit oder einfach nur etwas zu essen. Das haben die alliierten Soldaten, allen voran die amerikanischen, reichlich zu bieten. Die meisten von ihnen sind bereits in die Heimat zurückgekehrt, wenn sich die Folgen ihrer Kriegsbeziehung einstellen. Rund 200.000 Kinder, nach neuesten historischen Berechnungen sogar mindestens 400.000, haben einen alliierten Soldaten zum Vater.
Unwirksames Verbrüderungsverbot
Nicht nur Angehörige der Roten Armee, auch westalliierte Soldaten holen sich nach dem Einmarsch brutal mehr als nur einen Siegerkuss. Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung. Doch ab Sommer 1945 gehen mehr und mehr Frauen freiwillige Beziehungen zu den Besatzern ein. Es sind Bratkartoffelverhältnisse, also reine Versorgungsbeziehungen oder Abenteuer aus purem Lebenshunger. Manchmal, wie bei der jungen Charlotte Werr und dem US-Sanitätssoldaten David Charles Petty, ist es die große Liebe.
"Keine Fraternisierung mit den Deutschen", hatten die Alliierten ihren Truppen vor der Besetzung eingebleut. Die New York Times mahnt im Frühjahr 1945: "Die Amerikaner sind nicht nach Deutschland gekommen, um Kindermördern die Köpfe zu streicheln und SS-Verbrecher zu päppeln." Doch im Alltag der Besatzung erweist sich das Verbrüderungsverbot als kaum durchsetzbar. "Haste dufte Flakons oder kleene Bonbons, dann jib sie. Wenn ich Corned Beef seh, du dann bin ick nich zu bezehm", heißt es in einem Berliner Nachkriegs-Chanson. Nicht wenige Frauen bezahlen allerdings teuer für eine Liebelei mit den Besatzern. Als "Ami-Schicksen", "Briten-Schlampen" oder "Russenhuren" geächtet, müssen sich etliche zum Zeichen ihrer Schande kahl rasieren lassen.
Kurzes Glück in Amerika
Dennoch stehen vor allem die smarten, spendablen US-Boys bei den "Frauleins" hoch im Kurs. Charlotte Werr begegnet dem GI David Petty im Odenwald-Städtchen Ladenburg. Nur wenige Monate nach ihrem ersten Flirt treten die beiden am 30. Dezember 1945 als erstes deutsch-amerikanisches Brautpaar vor den Traualtar. Obwohl das Verbrüderungsverbot inzwischen gelockert wurde, reagiert das US-Militär drastisch auf die Hochzeitsanzeige. Jede Eheschließung zwischen einer Deutschen und einem Amerikaner, ganz gleich, ob Zivilist oder Armeeangehöriger, wird untersagt.
David Charles Petty muss seine inzwischen schwangere Frau zurücklassen und sofort in die Staaten heimkehren. Erst 1947, anderthalb Jahre später, darf auch Charlotte mit ihrer kleinen Tochter in die USA einreisen. Ihr Glück währt nicht lange, denn David Petty stirbt 1963 mit nur 46 Jahren. Charlotte steht nun allein da mit dem Kind. Ihre Schwiegereltern hatten die Ehe ihres Sohnes nie akzeptiert. Nach dem Tod ihres Mannes verliert sich langsam die Spur der deutschen Kriegsbraut in Amerika. "Sie hat sich dann Arbeit gesucht, mal da, mal dort, immer als Verkäuferin", ist die letzte Auskunft, die eine Verwandte aus Ladenburg über Charlotte Werrs Schicksal geben kann.
Stand:30.12.2015
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