Stichtag

27. November 2005 - Vor 60 Jahren: Hilfsorganisation CARE wird gegründet

Mit knurrendem Magen trifft sich Otto Vowinkel mit seiner Mutter und den drei Schwestern 1946 in Bielefeld am Küchentisch. Der erste harte Nachkriegswinter hat die Nahrungsvorräte für die Flüchtlinge bis zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen lassen. Doch jetzt steht auf dem Tisch ein Paket mit einem riesigen Metallband, in dem sich Unmengen an Brot, Käse, getrocknete Mohrrüben in Konservendosen und Milchpulver befinden. Absender sind 22 Hilfsorganisationen der USA, die sich am 27. November 1945 zur "Cooperative for American Remittences to Europe" (kurz  CARE) zusammengeschlossen haben. "Mit Zange und Hammer haben wir daran herumgedrückt", erinnert sich Vowinkel. "Und letztlich war das Öffnen in sich auch schon ein Genuss."Zunächst verschickt CARE, was vom Krieg übrig blieb: Die ersten Lebensmittelpakete waren ursprünglich als Notration für die bevorstehende Eroberung Japans gedacht. Als die Nachfrage steigt, werden immer mehr Konsumgüter der Wegwerfgesellschaft USA mit eingepackt. Zahnpasta zum Beispiel, Kleider, bei denen lediglich ein Knopf fehlt, oder Hosen mit kleinen Fehlern. Und die CARE-Pakete sind auch Boten einer neuen Geschmackskultur. Corned Beef in Dosen wird ebenso verschickt wie Eiscremepulver und Instant-Kaffee. Dass man die Körner nur noch mit Wasser übergießen und umrühren musste, muss mancher  CARE-Empfänger erst im Experiment erlernen.

Auch als Bollwerk gegen den Kommunismus werden die CARE-Pakete wichtig - vor allem in Berlin. "Da die Russen gleich nebenan 1.500 Kilokalorien als Tagesration bereitstellen", fordert der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, General Lucius Clay, immer neue Hilfe an. Während der Berlin-Blockade 1948/49 werden täglich tausend CARE-Pakete zu den eingeschlossenen Bewohnern transportiert. Vor allem aber schaffen es die Hilfslieferungen, aus Kriegsgegnern Verbündete zu machen. "Jedes der fünf Millionen  CARE-Pakete, die bis jetzt in Deutschland abgeliefert worden sind, hat dazu beigetragen, ein Band der Freundschaft zu schaffen", sagt Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). "Jedes ist ein großzügiger Beweis, dass der Geist der Barmherzigkeit in den Amerikanern lebendig ist."


Stand: 27.11.05