Flusslandschaft mit grasenden Kühen zwischen Kigali und Ruhengeri

5. Juli 1973 – Militärputsch in Ruanda

Stand: 05.07.2018, 00:00 Uhr

"Ich grüße die jungen Leute, die in der Nähe von Kimisagara wohnen", sagt die Stimme in Radio RTLM zwischen zwei Stücken Afro-Pop. "Kümmert Euch gut um diese Kakerlaken. Raucht etwas und bereitet diesen Kakerlaken ein böses Ende!"

Es ist 1994 in Ruanda, ein Land so groß wie Hessen, fruchtbar und mit angenehmem Klima. Die Gegrüßten sind jugendliche Hutu-Milizen, die "Kakerlaken" sind die Tutsi. 950.000 von ihnen werden in nur drei Monaten niedergemetzelt, im Wesentlichen mit Macheten. Angestachelt nicht nur vom Hass-Radio RTLM, sondern auch durch die gesellschaftlichen Folgen der Kolonialgeschichte.

Militärputsch in Ruanda (am 05.07.1973)

WDR 2 Stichtag 05.07.2018 04:17 Min. Verfügbar bis 02.07.2028 WDR 2


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Wurzeln im Kolonialismus

In vorkolonialer Zeit herrscht in Ruanda eine Monarchie aus der sozialen Gruppe größerer Rinderzüchter (Tutsi) über kleinere Bauern, zumeist Hutu. Sie leben meist friedlich zusammen, sprechen dieselbe Sprache, heiraten untereinander. Dann wird Ruanda auf der Berliner Kongo-Konferenz 1884 dem Deutschen Reich zugeschlagen. Die Deutschen brauchen vor Ort Verbündete, weshalb sie die Oberschicht der Tutsi stärken: Die Gegenüberstellung von Tutsi und Hutu als Völker wird mit der perfiden These untermauert, dass die Tutu ursprünglich aus dem Norden stammen, also letztendlich arisch sind.

Viele Tutsi arbeiten gern mit den Deutschen zusammen – ebenso wie mit den Belgiern, die 1916 die Herrschaft in Ruanda übernehmen. Nur Tutsi-Kinder dürfen zur Schule gehen, die jeweilige "Volkszugehörigkeit" wird im Pass vermerkt. In den 50er Jahren allerdings wechselt Belgien politisch die Seiten und unterstützt die Hutu. Zehn Jahre später nutzt die radikale Huti-Partei "Parmehutu" die These von der nordischen Tutsi-Rasse, um die Tutsi als Invasoren zu diffamieren.

Genozid nach Todeslisten

Nach der Unabhängigkeit Ruandas 1962 kommt es zu ersten Pogromen gegen Tutu: Viele fliehen in die Nachbarländer. Zu dieser Zeit ist der diktatorisch agierende Grégoire Kayibanda erster Präsident des Landes; er wird vor allem durch Hutu aus dem Süden getragen. Zunächst entwickelt sich das Land auch wirtschaftlich gut, doch dann kommt die Flaute. Am 5. Juli 1973 putscht die Armee, in der viele Hutu aus dem Norden vertreten sind.

Anfang der 1990erJahre verschärft sich die Krise – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich 600.000 Exil-Tutsi in der Rebellenarmee RPF organisiert haben und von Uganda aus immer wieder vorstoßen. Ihnen treten die jugendlichen Hutu-Milizen entgegen. Todeslisten werden vorbereitet. So ist der Nährboden für den Genozid geschaffen.

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