Am 24. November 1942 ist Schluss: Leopold Trepper wird während eines Zahnarzttermins in Paris verhaftet. Spitzel hatten den Chef der Widerstandsorganisation "Rote Kapelle" an die Gestapo verraten. Die Funksprüche eines ganzen Netzes von Widerstandsgruppen waren enttarnt worden.
Die Bezeichnung "Rote Kapelle" stammt von der deutschen Abwehr. In ihrem Jargon ist ein "Pianist" ein morsender Funker. Weil viele "Pianisten" in Richtung Moskau funken, spricht die Gestapo von der "Roten Kapelle". Trepper, der "Grand Chef" der Organisation, scheint am Ende. Doch das war er schon oft.
Juden und Araber gleichberechtigt
Als Sohn einer jüdischen Familie wird Leopold Trepper am 23. Februar 1904 in Neumarkt im heutigen Polen geboren. Er wird schon früh Sozialist, weil er überzeugt ist, dass nur so der Rassismus besiegt werden kann. Mit 20 Jahren muss der Jung-Kommunist vor der polnischen Polizei fliehen. Er setzt sich nach Palästina ab. Dort gründet er die Gruppe "Einheit", in der Juden und Araber gleichberechtigt gegen die britische Besatzung kämpfen.
Trepper wird zeitweise von den Briten interniert und anschließend ausgewiesen. In Frankreich wird er Vertreter der jüdischen Arbeiter, einer Abteilung der französischen Kommunistischen Partei. Von 1932 bis 1934 studiert er an der Kommunistischen Universität von Moskau. Trepper wird Oberst des sowjetischen Militärgeheimdienstes - und geht als Kundschafter nach Brüssel. Getarnt als kanadischer Kaufmann baut er im Zweiten Weltkrieg den wohl bedeutendsten Spionagering gegen Nazi-Deutschland auf.
Doppelagent - zum Schein
Die wichtigste Information ignoriert Stalin allerdings: den deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941. Anschließend glaubt er den Quellen. Als die Wehrmacht im Winter von der Roten Armee vor Moskau gestoppt wird, weiß der sowjetische Diktator, wo die Deutschen im folgenden Frühjahr angreifen wollen: in Stalingrad.
Kurz nach dem Beginn des sowjetischen Gegenschlags bei Stalingrad im November 1942 fliegt jedoch die Gruppe der "Roten Kapelle" auf. Trepper wird nach seiner Verhaftung Doppelagent - zum Schein. Er kann heimlich Moskau informieren, dass das Spionagenetz aufgeflogen ist. Trepper gelingt 1943 die Flucht: Beim Kauf von Medikamenten flieht er durch die Hintertür einer Apotheke und taucht unter.
Haft in der Sowjetunion, Antisemitismus in Polen
Im Januar 1945 kehrt Trepper nach Moskau zurück. Dort wird er jedoch verhaftet, weil er enger Mitarbeiter eines Generals des militärischen Geheimdienstes war, den Stalin in der Zwischenzeit hatte erschießen lassen. Erst nach Stalins Tod wird Trepper 1954 rehabilitiert und zu einem Ehrenpensionär der Sowjetunion ernannt. 1957 zieht Trepper mit seiner Familie nach Polen, wo er als Direktor in einem Buchverlag für jüdische Literatur arbeitet.
Doch nach dem Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 schürt das polnische Gomulka-Regime antisemitische Ressentiments, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Rund 15.000 polnische Juden gehen ins Exil. Auch Trepper will ausreisen: "Ich habe hier keine Verwandten. Die alle befinden sich in Treblinka, in Auschwitz, die sind alle vergast worden." Doch erst 1973 darf er aus gesundheitlichen Gründen das Land verlassen.
Lebensabend in Israel
Trepper lässt sich in London ärztlich behandeln, bevor er sich in Israel niederlässt. "Wir wollten den Menschen ändern, und wir sind gescheitert", bedauert er in seiner Autobiografie. "Dieses Jahrhundert hat zwei Ungeheuer geboren, den Faschismus und den Stalinismus, und in dieser Apokalypse ist unser Ideal untergegangen." Leopold Trepper stirbt mit 77 Jahren am 19. Januar 1982 in Jerusalem.
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