Rock-Giftzwerg und Spaßrebell, Punk-Rapper und Working-Class-Clown hat man Ian Dury genannt. Das stimmt alles, aber nichts davon trifft es genau. Der kleine, durch Kinderlähmung gehandicapte Sänger, Komponist und Schauspieler passt schlicht in keine der gängigen Schubladen.
In die Punk-Ecke gerät er, weil er 1977 mit dem monoton hingerotzten "Sex and Drugs and Rock and Roll" einen Szene-Hit landet. Mit den aggressiven gepiercten No-Future-Nihilisten verbindet ihn aber wenig. Durys Wurzeln liegen im Blues, Funk und Reggae. Seine Songs sind sarkastisch, anzüglich, komisch und sensibel, seine Musiker alles andere als Drei-Akkorde-Dilettanten. Ian Durys Lebensmotto heißt: "It's nice to be a lunatic" – Es ist so schön, bekloppt zu sein.
Durchbruch mit den "Schwachköpfen"
Der Sohn eines Busfahrers wird am 12. Mai 1942 im Londoner Vorort Harrow geboren. Mit sieben Jahren erkrankt Ian Dury an Polio. Sein linker Arm und sein linkes Bein sind seither praktisch leblos, wovon er sich aber nicht unterkriegen lässt: "Ich bin behindert, aber nicht so sehr eingeschränkt. Ich kann zwar keinem Bus nachlaufen, aber es ist mir auch egal, wenn ich ein paar Busse verpasse."
Nach einem Kunst- und Literaturstudium am Royal College of Art unterrichtet er zunächst als Kunstlehrer. 1971 gründet Dury die Pubrock-Band "Kilburn & The Highroads", mit der er fünf Jahre lang in ständig wechselnder Besetzung spielt. 1976 trifft er auf Keyborder Chaz Jankel, mit dem er die Band "The Blockheads" (Die Schwachköpfe) gründet. Nach "Sex and Drugs and Rock and Roll" gelingt Dury 1978 mit "Hit Me with Your Rhythm Stick" der Durchbruch in Europa.
Kein Bock auf "Cats"
Obwohl oder gerade weil die BBC den Song wie etliche andere Dury-Titel boykottiert, hält sich "Hit Me with Your Stick" 15 Wochen lang auf Platz eins der britischen Charts. Den Zensoren entgeht dabei völlig der Hintersinn in Durys Texten. Mit "Sex and Drugs…" etwa habe er sagen wollen, "dass es auch noch andere Dinge gibt, die Spaß machen! Lasst uns in die National Gallery gehen oder so", erzählt Ian Dury 20 Jahre später in einem BBC-Interview.
Begleitet von den Reggae-Größen Robbie Shakespeare und Sly Dunbar nimmt der Sänger 1981 das Album "Lord Upminster" mit dem bissigen Lied "Spasticus Autisticus" auf. Es ist Durys (selbst)ironischer Kommentar zum "Jahr der Behinderten". Als Andrew Lloyd Webber anfragt, ob er das Libretto zum Musical "Cats“ schreiben will, lehnte Dury angewidert ab. Lieber spielt er ab den 80ern mit Bands wie Madness, auch wenn große Erfolge ausbleiben. "Dury mag nicht mehr 'hip' sein", kommentiert das Fachblatt ME/Sounds diese Phase, "aber es tut gut, ab und an vom alten 'Hinkebein' zu hören."
Skurrile Filmrollen und Unicef-Botschafter
Damit die Kasse stimmt, komponiert Ian Dury nebenher Musik für Fernsehserien und für die Royal Shakespeare Company. Als Schauspieler holen ihn Regisseure wie Roman Polanski ("Piraten") oder Peter Greenaway ("Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber) für skurrile Krüppel-Rollen vor die Kamera. 1988 glänzt er als pyromanischer Orchester-Paukist im Film "Brennende Betten" neben der deutschen Autorenfilmerin Pia Frankenberg.
Zeitlebens engagiert sich Ian Dury intensiv für Projekte zugunsten körperlich und geistig behinderter Menschen. So absolviert er als Unicef-Botschafter eine Tournee durch Afrika, um für ein Impfungsprogramm zur Polio-Vorsorge zu werben. Nach einer Deutschland-Tour 1998 gibt Dury bekannt, dass er an Darmkrebs erkrankt ist. Er werde dagegen kämpfen, ziehe es aber vor, an Krebs zu sterben, statt von einem Bus überfahren zu werden, lautet sein für ihn typischer Kommentar. Doch die Krankheit lässt ihm keine Chance. Am 27. März 2000 stirbt Ian Dury im Alter von 57 Jahren in London.
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