Der Berliner Konservenfabrikant Heinrich Grüneberg presst 1867 ein trockenes Gemisch aus Erbsenmehl, Rindfleisch, Fett und Gewürzen in eine längliche Papierhülle und nennt es Erbswurst. Es ist die erste Tütensuppe - wenn auch nicht in der Tüte.
Die kleinen Portionsstücke der Erbswurst werden in Wasser zerdrückt, wenige Minuten aufgekocht, und fertig ist eine sämige und nahrhafte Suppe. Das wohl erste Fertiggericht kommt zur idealen Zeit auf den Markt. Preußen bereitet sich auf einen Feldzug gegen Frankreich vor.
Sechs Wochen lang nur Erbswurst
Das preußische Kriegsministerium steht vor der schwierigen Aufgabe, große Truppenverbände zu ernähren. "So passt die Erbswurst hervorragend in die Versorgungsstrategie des Heeres", erzählt der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder. Und der am 13. Mai 1819 geborene Grüneberg unterhält beste Kontakte zum Militär.
Die Heeresleitung lässt eine Kompanie sechs Wochen lang ausschließlich Erbswurst essen und stellt zufrieden fest: Mit ihrem hohen Eiweißanteil kann die Erbse Fleisch gut ersetzen. Mit Grünebergs Suppenpulver im Gepäck marschieren die preußischen Soldaten 1870 in den Frankreich-Feldzug.
Erbswurst kochen für die Soldaten
Grüneberg soll für sein Erbswurst-Patent vom Staat Preußen die stattliche Summe von 35.000 Talern kassiert haben. Schon bald schuften mehr als 1.700 Arbeiter in der Fabrik. Allein 150 Leute quetschen die grüne Masse mit Wurstspritzen in Tierdärme. Nachschub für die Truppen im Krieg.
Die Industrie-Zeitung lobt: "Der Soldat braucht die Wurst nur in seinen Feldkessel zu legen und das Wasser siedend zu machen, so ist er fertig und hat genug daran."
Von der feinen Küche in den Campingtopf
Vom Soldatennapf gelangt die Erbswurst schnell in zivile Töpfe. 1889 kaufen die Gebrüder Knorr Grünebergs Patent und bringen das Trockengemisch jetzt massenweise unter das Volk, sogar in die feine Küche.
"Die industriell hergestellte Kost hatte im späten 19. Jahrhundert ein ungeheures Ansehen und galt nicht als Notwendigkeit, sondern als Fortschrittssymbol", so Hirschfelder. Den Aufstieg seiner Erbswurst in die Haute Cuisine erlebt Grüneberg nicht mehr, er stirbt 1872 in Berlin.
Im 20. Jahrhundert ist das Instantsüppchen noch lange bei Campern und Outdoor-Sportlern beliebt. Aber den Geschmack der Massen trifft das Pulver nicht mehr. Ende 2018 kommt für die Erbswurst das Aus, die Produktion wird eingestellt.
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