Bob Dylan ist - "in seiner ganzen Widersprüchlichkeit" - für Günter Amendt stets eine Inspiration. "Das ist ein Mensch, der über sein Werk, seine Musik und die Texte, die er geschrieben hat, so wichtig ist in meinem Leben."
Amendt begleitet Dylan 1978 auf seiner Deutschland-Tour. Arrangiert hat das Konzertveranstalter Fritz Rau. Dylan soll einen Ansprechpartner haben. Raus Wahl ist nicht zufällig: Dylan gilt als Protestsänger, Amendt repräsentiert die 1968er Generation.
Linker "Realpolitiker"
"Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke war ich Anführer dieser Massendemonstration gegen den Springer-Konzern", sagt der am 8. Juni 1939 in Frankfurt am Main geborene Amendt. "Ich galt als ein besonders militanter Straßenkämpfer." In Polizeikreisen habe man ihn den "Apo-General" genannt.
"Das, was Dutschke in Berlin war, war Amendt in Frankfurt", sagt Hermann Gremliza, Herausgeber der Zeitschrift "Konkret", in der Amendt ab 1976 schreibt. Dieser sei aber weniger radikal gewesen: "ein linkssozialdemokratischer Realpolitiker".
Erfolg mit "Sexfront"
Nach der Auflösung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) tritt Amendt, der zeitweilig Vorstandssprecher war, in die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) ein.
Bekannt macht Amendt 1970 sein Aufklärungsbuch "Sexfront". Ein lockerer Ratgeber, der Jugendliche ermuntern soll, "unbefangen das große Geheimnis der Natur zu entdecken" - von der Selbstbefriedigung bis zum Beischlaf. Rund 400.000 Exemplare werden verkauft.
Gefragter Drogenexperte
Amendt, der Soziologie, Psychologie und Germanistik studiert hat, promoviert 1974 über "Das Sexualverhalten von Jugendlichen in der Drogensubkultur". Doch aus der geplanten akademischen Karriere wird nichts, DKP-Mitglieder sind als Hochschullehrer unerwünscht.
Als freier Autor wird Amendt in den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) gewählt und macht sich einen Namen als Drogenexperte. Mitte der 1970er Jahre arbeitet er als Therapeut in einer Drogenklinik in Altona. 1981 erscheint sein Buch "Sucht-Profit-Sucht - Zur politischen Ökonomie des Drogenhandels".
Tod an der Ampel
Den Fall der Mauer 1989 erlebt Amendt zwiespältig. Er ist noch immer DKP-Mitglied, verklärt die DDR aber nicht. "Es war nie das Land, das meinen Vorstellungen auch nur annähernd entsprochen hätte von dem, wie ich mir Sozialismus vorstelle."
Günter Amendt stirbt am 12. März 2011 in Hamburg - als Fußgänger an einer Ampel, als ein unter Epilepsie leidender Autofahrer die Kontrolle über seinen Wagen verliert.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. Juni 2019 ebenfalls an Günter Amendt. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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