Ehec-infizierter Patient in Hamburger Isolierstation

20. Mai 2011 - Ehec-Epidemie bricht in Norddeutschland aus

Stand: 20.05.2016, 00:00 Uhr

Auf und im menschlichen Körper siedeln rund zehn Billiarden Bakterien, ihre Arbeit gehört zu den Grundlagen allen Lebens. Als Krankheitserreger aber lösen sie seit Menschengedenken verheerende Epidemien aus, die den ganzen Globus erfassen können.

REM-Aufnahme: Enterohämorrhagische Escherichia Coli (EHEC)

EHEC-Bakterien

Die meisten Bakterienarten finden sich im Verdauungstrakt, so auch das nach seinem Entdecker Theodor Escherich benannte Enterohämorraghische Escheria coli. Unter dem Kürzel Ehec lernen es die Deutschen vor fünf Jahren als überall lauernde Gefahr für Gesundheit und Leben fürchten.

Fieberhafte Suche nach dem Erreger

Christina Frank vom Berliner Robert-Koch-Institut gehört Mitte Mai 2011 zu den ersten, die die Bedrohung durch Ehec in Deutschland erahnen. Eine Hamburger Klinik meldet der Epidemie-Expertin die Einlieferung von gleich drei Ehec-Infizierten an nur einem Tag. Sie leiden unter extremem blutigen Durchfall, der bis zum lebensbedrohlichen Nierenversagen führen kann.

Nach ersten Recherchen erkennen Frank und ihre Mitarbeiter schnell, wie weit sich die Darmerkrankung schon in Norddeutschland ausgedehnt hat. Die Berliner alarmieren die Öffentlichkeit. Am 23. Mai berichtet die ARD-Tagesschau: "Der gefährliche Durchfallerreger Ehec breitet sich aus. Mindestens 140 Menschen haben sich infiziert, einige von ihnen schweben in Lebensgefahr."

Zwei Tage später melden bereits 14 Bundesländer Ehec-Erkrankungen und Verdachtsfälle. Fieberhaft suchen Epidemiologen und Behörden nach der Quelle von O104:H4, einer hoch aggressiven, aber noch weitgehend unbekannten Unterart des Darmkeims. "Viele Ehec-Bakterien, an denen Menschen schwer erkranken können, finden sich bei Wiederkäuern wie Rindern", erklärt Christina Frank. Meist seien daher rohes Rindfleisch oder Rohmilch die klassischen Epidemie-Auslöser.

Im aktuellen Fall aber geraten durch Befragungen der Erkrankten bestimmte Gemüsesorten in Verdacht. Reinhard Burger, Präsident des Robert-Koch-Instituts, warnt deshalb die besorgte Bevölkerung, "vorsorglich bis auf Weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate nicht roh zu verzehren."

Die "Täter" stammen aus Bienenbüttel

Ein Schild weist auf den Verzicht auf Tomate, Gurken und Salat hin

Ein Schild weist auf den Verzicht auf Tomate, Gurken und Salat hin

Nach Burgers Warnung bricht der Gemüseverkauf in Deutschland fast völlig zusammen. Tonnenweise werden Ernteerträge vernichtet. Doch trotz der heißen Salat-Spur kann eine Experten-Taskforce die Quelle des Ehec-Erregers nicht ausfindig machen; die Zahl der Erkrankten nimmt bedrohlich zu.

Erst deutliche Hinweise auf ein Restaurant in Lübeck führen zur Lösung des Falls. Gleich 17 Menschen hatten sich dort nach einem Besuch infiziert. Eine Untersuchung aller in dem Restaurant verwendeten Zutaten und deren Lieferanten bringt ans Licht: Die gefährliche Kolibakterien sitzen auf Gemüsesprossen einer Gartenbaufirma im niedersächsischen Bienenbüttel.

Letztlich erweisen sich die Samensprossen des ägyptischen Bockshornklees als Ursprung des Erregers. Eine Charge von etwa zehn Tonnen war mit dem aggressiven Ehec-Stamm O104:H4 verseucht. Warum allerdings nur jene 75 Kilogramm, die in der Gärtnerei bei Uelzen landeten, zum Krankheitsauslöser wurden, ist für die Experten des Robert-Koch-Instituts noch ein Rätsel. "Gut möglich, dass die Bakterien in dieser Charge nur an einzelnen Punkten überlebt haben", meint die Epidemiologin Frank. Auch Erhitzungen der Sprossen bei der Verarbeitung würden das Infektionsrisiko drastisch mindern.

Zwei Monate nach dem Ausbruch kann Ehec in Deutschland gestoppt werden. 53 der rund 4.000 infizierten Menschen sind an der Durchfallerkrankung gestorben.

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