Stichtag

26. Oktober 2009 - Vor 30 Jahren: WHO erklärt die Pocken für ausgerottet

Pocken, Blattern, Variola - sie bezeichnen eine der gefährlichsten Krankheiten der Welt, die das Gesicht entstellt mit schmerzhaften Pusteln, Blasen und Eiter. Mit schweren Folgen: Etwa ein Prozent der Erkrankten erblindet, ein Viertel stirbt daran. Wer die Pocken übersteht, bleibt oft ein Leben lang von ihren Narben gezeichnet. Seit der Antike wird die Menschheit von Pockeninfektionen geplagt. Schilderungen der Krankheit finden sich in dreitausend Jahre alten chinesischen Dokumenten, ebenso wie im alten Testament. Bis in die frühe Neuzeit erkranken fast alle Kinder, überall, durch alle Gesellschaftsschichten hindurch. Denn die Pockenviren werden über eine Tröpfcheninfektion übertragen, sind also hochansteckend. Allein wenn Infizierte sprechen, niesen oder husten, übertragen sie das Virus. Hunderttausende Menschen sterben im Europa des 18. Jahrhunderts, darunter fünf regierende Monarchen. An vielen Orten gelten Kinder erst nach einer überstandenen Pockenerkrankung als Familienangehörige.

Es sind die Bauern auf dem Land, die eine wichtige Entdeckung hin zum Impfstoff machen: Hatten die Melkerinnen Kuhpocken bekommen, waren sie gegen die Menschenpocken immun. Als das der britische Landarzt Edward Jenner beobachtet, entwickelt er daraus eine Impfung. 1798 infiziert er Gesunde mit einer harmlosen Variante des Virus: mit den Kuhpocken. So heißen unsere Impfungen bis heute: Vakzination, abgeleitet vom italienischen Wort "vacca", das Kuh bedeutet. Ab dem Jahr 1800 werden massenhaft Menschen in Europa geimpft und auch Jenner sieht in seiner Entwicklung bereits die Möglichkeit, die Pocken für immer einzudämmen. Die Staaten erlassen Gesetze: Pockenimpfungen werden Pflicht - gegen den heftigen Widerstand vieler abergläubischer Gegner, die befürchten, die Kinder würden anfangen wie eine Kuh zu brüllen oder Haare am ganzen Leib bekommen.

Zumindest auf der nördlichen Halbkugel verlieren die Pocken ihren Schrecken. In Afrika und Asien kommt es jedoch auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder zu Epidemien. 1967 startete die WHO deshalb eine weltweite Kampagne mit dem Ziel die Pocken endgültig zu besiegen. Die Krankheit gilt als Testfall, ob die Ausrottung einer Infektionserkrankung überhaupt möglich ist. Der weltweite Impfaufruf glückt: Am 26. Oktober 1979 erklärt die Weltgesundheitsorganisation die Welt für pockenfrei. Die epidemische Krankheit, die einst Millionen tötete und in Schrecken versetzte, werde nicht wiederkehren. Seitdem gibt es keine Pflichtimpfungen mehr.

Doch nicht die ganze Welt ist heute pockenfrei. Es gibt zwei kleine Orte, einer in Russland, der andere in den USA, in denen das Pockenvirus bis heute überlebt: in Hochsicherheitslabors. Dort werden originale Viren gelagert, damit Forscher Impfstoffe gewinnen können, falls es jemals wieder einen Ausbruch gibt.

Stand: 26.10.09