Präsentation des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm in einem Schaufenster

Stichtag

4. Januar 1961 - "Deutsches Wörterbuch" vollendet

Im Jahr 1812 kommt der erste Band der "Kinder- und Hausmärchen" heraus. Er macht die beiden Sammler Wilhelm und Jacob Grimm weltberühmt. 1830 werden die Germanisten an die Universität Göttingen gerufen, wo sie Professoren werden. Sieben glückliche Jahre sind ihnen hier vergönnt – bis sie gegen einen Verfassungsbruch des Königs Ernst August I. von Hannover protestieren. Beide verlieren ihr Amt und müssen das Land verlassen. Aus den wissenschaftlichen Berühmtheiten werden politische Flüchtlinge.

Politisch motiviert ist auch die zweite große Sammeltätigkeit, derer sich die Gebrüder Grimm von nun an in Berlin widmen und die allen Ernstes ursprünglich auch zum Vorlesen gedacht ist: einem großen "Deutschen Wörterbuch", das die Bedeutung aller deutschen Wörter verzeichnet – nicht zuletzt anhand ihres Vorkommens in der Literatur vom Althochdeutschen über Luther bis hin zu Goethe. Für die Grimms ist dieses Wörterbuch ein Werk, das die noch nicht existente deutsche Nation zusammenschweißen soll. "Was haben wir denn Gemeinsames als unsere Sprache und Literatur?", stellt Jacob Grimm die rhetorische Frage.

Mit Wörtern eingeschneit

Gemeinsam mit rund 80 Mitarbeitern machen sich die Gebrüder Grimm ab 1838 daran, die Werke der deutschen Literatur von A - dem "edelsten, ursprünglichsten aller laute" - bis Z nach Verwertbarem zu durchstöbern. Anfangs gibt sich Wilhelm noch äußerst optimistisch. "Wenn wir beide vier Jahre der Sache täglich zwei Stunden widmen", notiert er, "so glaube ich, kommen wir zum Ende." Schlussendlich sitzen die beiden bis zu 14 Stunden täglich am Schreibtisch, selten kommen sie vor Mitternacht ins Bett.

Trotzdem brauchen die Grimms allein für die Vorbereitung des ersten Bandes zehn Jahre, wobei über 600.000 mit Gänsefeder und Tinte vollgeschriebene Exzerpt-Zettel anfallen. Bei reich belegten Wörtern fallen schon einmal mehrere tausend Zettel an. "Wie wenn tagelang feine, dichte Flocken vom Himmel niederfallen, bald die ganze Gegend in unermesslichem Schnee zugedeckt liegt, werde ich von der Masse aus allen Ecken und Ritzen auf mich andringender Wörter gleichsam eingeschneit", schreibt Jacob. Und Wilhelm Grimms Ehefrau Dorothea hält fest, dass die Gebrüder vollkommen "verwörterbucht" seien.

Tod über "Frucht"

Bei ihrer Arbeit legen die Gebrüder Grimm ganz unterschiedliche Arbeitsweisen an den Tag. Wilhelm interessiert sich nicht für Jacobs Anweisungen, arbeitet langsamer, hat andere Vorlieben und Neigungen. Rechtschreibung und Interpunktion interessieren ihn nicht. Letztlich reicht auch seine Lebensenergie nur bis zum Buchstaben D. Er stirbt 1859 – fünf Jahre, nachdem der erste Band des "Deutschen Wörterbuchs" erschienen ist. Jacob hält noch bis 1863 durch. Den dritten Band schließt er noch ab, dann stirbt er über der Bearbeitung des Eintrags "Frucht“"

Das "Deutsche Wörterbuch" aber überlebt. Die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften, deren Mitglieder die Grimms waren, nimmt sich der Sache an. Die Arbeit schleppt sich durch die Jahrzehnte. Am 4. Januar 1961, 123 Jahre nach Beginn, ist das "Deutsche Wörterbuch" abgeschlossen – wenn auch ohne den erst zehn Jahre später vorgelegten Quellenband. 320.000 Stichwörter in 32 Bänden. Gesamtgewicht: 84 Kilogramm.

Heute ist das "Deutsche Wörterbuch" längst online verfügbar. Und noch immer werden seine Einträge von Wissenschaftlern überarbeitet.

Stand: 04.01.2016

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