Boris III. soll der Held gewesen sein, der die bulgarischen Juden vor der Deportation gerettet hat und deshalb auf Anweisung von Hitler vergiftet wurde. Für Historiker ist diese Geschichte aber nur eine Legende.
"Die sogenannte Rettung der bulgarischen Juden gehört zu dem, worauf man in Bulgarien nicht ohne Stolz immer verweist", sagt Wolfgang Höpken, Professor für Ost- und Südosteuropäische Geschichte an der Universität Leipzig.
Kein Nationalsozialist, aber konservativer Monarch
Tatsächlich ist Boris III., der am 3. Oktober 1918 den Thron bestiegen hat, kein Nationalsozialist. "Man würde ihn wahrscheinlich als konservativen, reaktionären Monarchen bezeichnen", sagt Professor Ulf Brunnbauer, Direktor des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropa-Forschung. Aber Boris III. verbündet sich mit dem Deutschen Reich - aus einer wirtschaftlichen Abhängigkeit heraus.
Nach der Wannsee-Konferenz 1942 verlangt Deutschland auch von seinem Verbündeten Bulgarien die sogenannte Endlösung der Judenfrage. "Und Boris III. war nach aller Abwägung bereit, dann doch die jüdische Bevölkerung zu opfern", erklärt Brunnbauer.
Massenproteste gegen Deportationen
Dass es in großen Teilen Bulgariens nicht zu Deportationen kommt, ist nicht der Verdienst des Monarchen. Es protestieren vor allem die orthodoxe Kirche, das Parlament und die Bevölkerung.
Der deutsche Polizeiattaché Karl Hoffmann muss seinen Vorgesetzten 1943 mitteilen: "In Bulgarien existieren weder die ideologischen, noch die rassistischen Voraussetzungen, um eine breite Unterstützung für die Deportationen zu erlangen." Trotzdem werden Juden deportiert, nämlich jene 12.000 aus den besetzten bulgarischen Gebieten Thrakien und Makedonien.
Vergiftet von Hitler?
Im August 1943 stirbt Boris III. plötzlich, mit 49 Jahren. Zehn Tage zuvor war er tatsächlich bei Hitler zu Besuch gewesen. Hat der ihn vergiften lassen? "Dafür gibt es keinerlei Beweis. Nach dem Besuch von Hitler erklomm Boris III. noch den höchsten Berg Bulgariens, den Musala", sagt der Historiker Ulf Brunnbauer.
Doch die Legende um Boris III. und seinen Tod hält sich. "So ein Geschichtsmythos ist immer schwer aus der Welt zu schaffen, wenn er sich einmal im kollektiven Gedächtnis festgesetzt hat", sagt Brunnbauer.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 3. Oktober 2018 ebenfalls an Boris III. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 04.10.2018: Vor 135 Jahren: Start des Orient-Express zur offiziellen Einweihungsfahrt