"Synchronsprecher" sollte man ihn lieber nicht nennen, da kann Arnold Marquis richtig unwirsch werden. Die Berufsbezeichnung habe ihm irgendwann das Finanzamt verpasst, erzählt der Mann, den die Zeitungen beharrlich als "König der Synchronsprecher" betiteln. "Sprechen tut die Zeitansage der Post", raunzt Marquis.
Mit weit über tausend Sprechrollen ist Arnold Marquis vier Jahrzehnte lang die meistgebuchte deutsche Stimme in den Synchronateliers. Wie alle seine Kollegen hat er die Schauspielerei von der Pike auf erlernt. Synchronisieren bedeutet ihm deshalb weit mehr, als ausländischen Stars nur eine Stimme zu geben. Marquis verkörpert seine Sprechrollen, verleiht ihnen mit seinem ganzen Wesen Charakter. Die korrekte Berufsbezeichung lautet also "Synchronschauspieler".
Karrierestart als Stewart Granger
Zur Bühne findet der gebürtige Dortmunder, Jahrgang 1921, am Theater in Bochum. Eigentlich soll er wie der Vater einen kaufmännischen Beruf ergreifen, doch Arnold möchte lieber Bühnenbildner werden. Bochums Intendant Saladin Schmitt überzeugt den 1,90-Meter-Hünen, sich zum Schauspieler ausbilden zu lassen und gibt ihm 1939 sein erstes Engagement. Kurz darauf wird Marquis zur Wehrmacht eingezogen. Einige Male verwundet kehrt er aus dem Krieg zurück und landet, der Liebe wegen, in seiner neuen Heimatstadt Berlin.
Nach mehreren kleinen Engagements eröffnet sich dem Jungmimen die Chance, seine schmale Gage aufzubessern. Ein Abgesandter der englischen Rank-Film sucht eine Synchronstimme für den Briten Stewart Granger. Marquis bekommt eine Einladung zum Probesprechen und überzeugt die Studio-Bosse mit seinem sonoren Organ. So beginnt 1946 mit dem Psychodrama "Madonna der sieben Monde" Arnold Marquis' Synchronkarriere. Als nächstes verpflichtet ihn die Twentieth Century Fox für ihren Newcomer Richard Widmark. Bis zuletzt wird Marquis die deutsche Stimme des US-Stars bleiben.
Gestorben wie John Wayne
Mit Tagesgagen von bis zu 1.000 Mark steigt Arnold Marquis zum Topverdiener der Synchronbranche auf. Hollywoods harte Typen wie Robert Mitchum, Lee Marvin, James Coburn oder Humphrey Bogart, das ist seine Gewichtsklasse. Und allen voran Westernheld John Wayne, der nach einigen Filmen mit anderer deutscher Stimme nur noch wie Arnold Marquis klingen möchte. 1976 treffen sich die beiden zur Premiere von Waynes letztem Film "The Shootist" (Der Scharfschütze). "Da haben wir uns gemeinsam verbeugt und er hat mich eingeladen, ihn zu besuchen", erzählt Marquis. Doch dazu kommt es nicht mehr. 1979 stirbt die Western-Legende an Lungenkrebs. Dass Marquis Western überhaupt nicht mag, hat er seinem großen Vorbild nie verraten.
Als Darsteller bleibt Marquis auf der Bühne, im Kino und im Fernsehen präsent, aber ohne wirkungsvolle Rollen. Den Traum von der großen Leinwand-Karriere "mit Gesicht" kann der König des Synchronstudios nicht verwirklichen. Eine Enttäuschung, die wohl dazu beiträgt, dass Marquis lange Probleme mit dem Alkohol hat. Erst eine Entziehungskur befreit ihn vom Suff, nicht aber von einer anderen Sucht. Wie sein Alter Ego John Wayne qualmt Marquis bis zu 80 Zigaretten pro Tag. Als er das Rauchen endlich einschränkt, ist seine Lunge bereits vom Krebs zerstört. Nach seinem letzten Auftritt "mit Gesicht" in "Otto - der Außerfriesische" wird Arnold Marquis in eine Berliner Klinik eingeliefert. Am 24. November 1990 stirbt er mit 69 Jahren.
Stand: 24.11.2015
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