Wohl niemand hat als Einzelperson in der Feldforschung soviel botanische und zoologische Exponate gesammelt wie Amalie Dietrich. Dabei hat sie schon nach vier Jahren die Schule verlassen und nie studiert.
In der DDR wurde die Arbeit von Amalie Dietrich noch gewürdigt: Ihre Karriere vom einfachen "Arbeiterkind" zur Forschungsreisenden macht sie zur Heldin. Mit dem Fall der Mauer gerät sie fast komplett in Vergessenheit. Nur im sächsischen Großschirma-Siebenlehn erinnert ein kleines Museum an ihren früheren Ruhm.
Vom Pilzsesammeln zum Botanisieren
Geboren wird Dietrich 1821 als Concordia Amalie Nelle in Siebenlehn. Ihre Eltern stellen Geldbörsen und Taschen her: Schon als Kind ist sie hier stark eingebunden. Aber sie verschlingt als Teenager in jeder freien Minute Bücher und studiert lieber die Natur, als zum Dorftanz zu gehen.
Angeblich beim Pilzesammeln lernt sie den ehemaligen Apotheker Wilhelm Dietrich kennen, der sich ganz der Botanik verschrieben hat. Sie heiraten 1846. Von ihrem Ehemann lernt Dietrich, Pflanzen zu bestimmen und zu präparieren. Später ziehen beide mit einem Bollerwagen von Köln bis nach Krakau und von der Nordsee bis zu den Salzburger Alpen, um Herbarien an wohlhabende Sammler, Hochschulen und Apotheken zu verkaufen.
54 Arten tragen ihren Namen
1848 wird Dietrichs Tochter Charitas geboren. Fortan geht Amalie alleine auf Verkaufstour. Als sie nach einer langwierigen Typhus-Infektion wieder nach Hause zurückkehrt, hat ihr Mann Charitas in eine Pflegefamilie gegeben. Dietrich trennt sich und fängt von vorne an. 1862 lernt sie in Hamburg den reichen Reeder Johann Cesar Godeffroy kennen, der gerade Forschungsreisende für ein Übersee-Museum sucht. 1863 verabschiedet sich Dietrich für zehn Jahre von ihrer Tochter und sticht mit dem Auftrag in See, möglichst viele Pflanzen und Tiere aus Australien in die Heimat zu schicken.
Fortan schickte Dietrich Kiste um Kiste voller Präparate nach Hamburg. Ab 1866 publiziert das Museum Godeffroy Kataloge dieser Pflanzen, Vögel, Reptilien, Meerestiere und Insekten, die sie teils als erste Europäerin entdeckt; 54 Arten werden deshalb nach ihr benannt. Als Godeffroy sich "Skelette und Schädel von Eingeborenen" wünscht, schickt sie auch die: von Aborigines aus Queensland, die bei einem von Siedlern angezettelten Massaker ermordet wurden.
1873 kehrt Dietrich nach Hamburg zurück, wo sie schließlich völlig verarmt. Sie stirbt am 9. März 1891 während eines Besuchs bei ihrer Tochter Charitas. Da gibt es das Museum Godeffroy schon nicht mehr. Ein Gutteil der Exponate befindet sich heute im Leipziger Grassimuseum.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 9. März 2021 ebenfalls an Amalie Dietrich. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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