Das evangelische Nürnberg ist reich. Dank der Metallerzeugung und der nahen Handelswege sind die örtlichen Patrizier im 16. Jahrhundert zu einigem Reichtum gekommen. Jetzt wollen sie mit dem Geld der prall gefüllten Stadtkasse das öffentliche Leben reformieren. Vor allem der Wildwuchs bei den Apothekern ist ihnen dabei ein Dorn im Auge.
Bereits 300 Jahre zuvor hatte Stauferkönig Friedrich ein Edikt erlassen, das den gemeinhin unstudierten Apothekern verbot, Diagnosen zu stellen – und den Ärzten untersagte, Medizin zu fabrizieren. Seitdem ist die Pharmazie mit Heilkräutern und Tiegeln Domäne der Apotheker. 16 Apotheken gibt es im 16. Jahrhundert in Nürnberg, aber was dort zusammengemischt wird, ist Berufsgeheimnis. Bärenschmalz und Hirschtalg, Eberzähne und Spulwürmer haben sich da überliefert. Medizin und Aberglaube sind teils noch Geschwister. Der Arzt und Botaniker Valerius Cordus soll mit einer bindenden städtischen Arzneiverordnung helfen. Und er hilft.
Heilpflanzen als Lebensthema
Geboren wird Cordus am 18. Februar 1515 in Kassel. Sein Vater ist ein über die Grenzen der Stadt hinaus bekannter Medizinprofessor, muss aber wegen seiner allzu bissigen Epigramme auf landgräflichen Beschluss hin seinen Beruf quittieren und sich als Stadtarzt niederlassen. Der Karriere seines Sohnes schadet dieser soziale Abstieg nicht. 1539 beginnt er, unter anderem bei dem Reformator Philipp Melanchthon, an der Universität Wittenberg ein Studium der Botanik und der Medizin. Danach wird er Professor und hält Vorlesungen über Heilpflanzen.
Schon früh beginnt der ehrgeizige und hochbegabte Cordus, in den Wäldern und auf den Wiesen Pflanzen systematisch zu erfassen; viele davon beschreibt er zum ersten Mal. 1542 ruft ihn der Rat von Nürnberg in die Stadt, um zur Qualitätssicherung ein für den Handwerksstand der Apotheker verbindliches Arzneiverzeichnis zu schreiben.
Fall vom Pferd?
Bei seinen Studien orientiert sich Cordus an arabischen Quellen, durch die das im europäischen Mittelalter verloren gegangene Wissen der Antike überliefert ist. 1543 legt er das Werk seinen Auftraggebern vor, die es vor allem hinsichtlich seiner Verträglichkeit mit der reformatorischen Lehre prüfen. Danach wird das Arzneibuch als neue Apothekerordnung gedruckt. Cordus erhält die stattliche Summe von 100 Goldgulden und verlässt die Stadt in Richtung Italien. Seine Handreichung mit ihren Hinweisen auf die Wirkung von Heilkräutern und ihren Tipps zum Zusammenrühren von Salben und Tinkturen wird zum Vorbild für die Arzneibücher bis in unsere Tage.
Den Erfolg seines Werks erlebt Cordus nicht mehr. Er stirbt, erst 29-jährig, während seiner Studienreise 1544 in Rom. Vermutlich fällt er vom Pferd. Gegen seinen frühen Tod jedenfalls ist offenbar kein Kraut gewachsen.
Stand: 18.02.2015
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 18. Februar 2015 ebenfalls an Valerius Cordus. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.