Carl Laeisz setzt auf Geschwindigkeit. "Meine Schiffe sollen schnelle Reisen machen", lautet das Credo des Hamburger Kaufmanns und Reeders. So baut Laeisz eine Flotte aus sogenannten Flying-P-Linern auf: Schiffe, die alle mit dem Buchstaben "P" beginnen. Die "Peking" gehört dazu, die "Parcival" und die "Passat". Und die "Pamir", die 1905 im Hafen von Hamburg vom Stapel läuft. "Die besten Wünsche sollen dich begleiten, / Des Herren Segen ziehn mit Dir, / In frohen und in ernsten Zeiten, / fahr wohl, Du stolzes Schiff 'Pamir'" wird deklamiert, während die Sektflasche am Bug zerschellt.
Knapp 97 Meter ist die "Pamir" lang, und 14 Meter breit. 4.500 Tonnen kann sie tragen. Als nach dem Stapellauf die viermastige Takelage aufgesetzt wird, liegen die eigentlichen Stars von morgen in der Werft gleich nebenan. Der Reichspostdampfer "Admiral" zum Beispiel. Oder der große Kreuzer "Scharnhorst": Arbeits- und Kriegsschiffe, die mit Dampf betrieben sind.
Salpeter holen
Am 31. Oktober 1905 wird die "Pamir" zu ihrer Jungfernfahrt von Schleppern die Elbe abwärts gezogen. Erst auf offener See entfaltet sie die Pracht ihrer 3.800 Quadratmeter Segel. Einsatzgebiet ist die "Salpeterroute": über den Atlantik rund um Kap Horn und entlang der Küste Chiles, um Salpeter aufzunehmen. Das Nitrat wird in der Heimat zur Herstellung von Dünger und Sprengstoff benötigt. 90 Tage braucht die "Pamir" vom Ladeplatz für die rund 11.500 Seemeilen zurück. Damalige Dampfer schaffen das nur wenig schneller, sind aber ungleich teurer - der Treibstoff ist enorm kostspielig.
19 Mal geht die "Pamir" auf große Fahrt nach Südamerika. Als Salpeter in Fabriken chemisch hergestellt werden kann, ist diese Zeit vorbei. Laeisz verkauft die "Pamir" 1931 an den finnischen Reederkollegen Gustav Erikson, der darauf spekuliert, dass ein baldiger Brennstoffmangel den Dampfern den Garaus machen werde. Für Erikson importiert der Viermaster Weizen aus Australien, wobei der Reeder seinem Ruf als "Geiziger Gustav" alle Ehre macht. Nach und nach wird die "Pamir" etwas weniger seetüchtig gemacht – etwa durch den Abbau der Funkanlage, um den Funker einzusparen.
Ende in der Katrophe
Nach Eriksons Tod soll die "Pamir" auf Wunsch der Erben verschrottet werden. Stattdessen wird sie rundumerneuert und ab 1952 als Schulschiff für Kadetten der deutschen Handelsmarine eingesetzt. Danach läuft sie noch einmal als Handelsschiff aus. 1957 wird sie in Buenos Aires zum letzten Mal mit 3.780 Tonnen Gerste beladen – und das, obwohl sie schon lange nicht mehr kostendeckend segelt.
Der Schiffs-TÜV, die "Germanischen Lloyd", hat die "Pamir" kurz zuvor als absolut hochseetüchtig eingestuft. Trotzdem endet ihre letzte Fahrt in einer Katastrophe. Dabei reagiert die Mannschaft vorbildlich, als sie im schweren Hurrikan mitten im Atlantik die Segel von den Masten nimmt. Vielleicht verrutscht die Ladung – bis heute ist die Ursache dafür, dass das Schiff sich im Sturm immer mehr zur Seite neigt, nicht klar. "Schiff macht Wasser. Gefahr des Sinkens" lautet der letzte Funkspruch. Von 86 Mann Besatzung ertrinken 80. Der Untergang der "Pamir" 1957 ist zugleich das Ende der kommerziellen Segelschifffahrt im großen Stil.
Stand: 22.10.2015
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