1984 beginnt in der Sahel-Zone eine verheerende Dürreperiode. Besonders katastrophal wirkt sie sich in Äthiopien aus: Hier droht rund acht Millionen Menschen der Hungertod. Das hat nicht zuletzt auch politische Gründe. Denn in Äthiopien tobt zeitgleich noch ein Bürgerkrieg zwischen Diktator Mengistu Haile Mariam, der das Land in einen kommunistischen Staat nach sowjetischem Muster verwandeln will, und verschiedenen Rebellengruppen. Der Westen schaut weg.
In Großbritannien ist Bob Geldof der erste, der dem Hunger mit Benefizmusik begegnen will. Eher zufällig sieht er zur Weihnachtszeit eine BBC-Dokumentation über die Hungerkatastrophe. Als guter Netzwerker versammelt er schon wenige Tage später die namhaftesten Popmusiker des Landes im Studio. Ihr Song "Do They Know It’s Christmas" entwickelt sich zum Kassenschlager.
Kein Afrikaner auf der Bühne
Da will die Pop- und Soul-Szene in den USA nicht nachstehen. Gemeinsam mit dem Starproduzenten Quincy Jones lässt Entertainer und Bürgerrechtler Harry Belafonte seine Kontakte spielen. Die beiden können Michael Jackson und Lionel Richie gewinnen, ein Lied für die Aktion gegen den Hunger in Afrika zu komponieren. Am 28. Januar 1985 treffen sich rund 50 US-Musiker, um "We Are the World" einzuspielen. Mit dabei sind Stars wie Paul Simon, Stevie Wonder, Tina Turner, Ray Charles oder Bob Dylan. Geldof ist der einzige Nicht-Amerikaner in der Truppe. "We Are the World" verkauft sich über 20 Millionen Mal. Das bedeutet vier Mal Platin – und einen Grammy.
Geldof ist das nicht genug. Im Juli 1985 lässt er unter der Schirmherrschaft von Lady Di das "Live Aid"-Konzert folgen, das 16 Stunden auf zwei Bühnen in London und Philadelphia stattfindet und dessen Höhepunkt am Ende eine prominent besetzte Live-Version von "We Are the World" ist. Afrikanische Künstler sind allerdings nicht auf der Bühne.
Über 50.000 Menschen sterben
Fast 1,5 Milliarden Menschen verfolgen das "Live Aid"-Spektakel im Fernsehen. Gemeinsam mit dem Erlös von "We Are the World" kommt so eine Summe von 120 Millionen US-Dollar zusammen. Die Boulevardpresse stilisiert Geldof zum "Heiligen Bob", Queen Elisabeth schlägt ihn kurz darauf zum "Sir".
In Deutschland findet das Projekt 1985 mit "Nackt im Wind" von Herbert Grönemeyer (Musik) und Wolfgang Niedecken (Text) einen Nachfolger. "Nackt im Wind, der brüllt und wütet – im Orkan, der Menschen frisst", singen unter anderem Ina Deter, Gitte Haenning, Hans Hartz, Heinz Rudolf Kunze, Klaus Lage, Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen oder Nena. "Nackt im Wind, der planlos wütet – weil er weiß, dass man ihn schnell vergisst."
Da sind die Flugzeuge mit Nahrungsmittel der von Bob Geldof eigens gegründeten Hilfsorganisation "Band Aid Charity Trust" schon längst in Äthiopien gelandet. Tatsächlich kommt vieles von dem Geld bei den Hungernden an. Aber Diktator Mengistu Haile Mariam nutzt es auch, um Hunderttausende aus den Nordprovinzen des Landes in den Süden umzusiedeln. Vermutlich sterben über 50.000 Menschen auf der beschwerlichen Reise.
Stand: 28.01.2015
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 28. Januar 2015 ebenfalls an die Einspielung von "We Are the World". Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.