Als Timo Boll am Montagabend in Frankfurt am Main in den Flieger stieg, wusste er, dass es eine ganz besondere Reise für ihn werden würde. Er mache sich auf, zu einem seiner "letzten Abenteuer", sagte das Tischtennis-Idol mit einem Lächeln im Gesicht.
Olympia ist das letzte große Turnier
Bei den Olympischen Spielen fällt der internationale Vorhang endgültig für den 43-Jährigen, zuvor führt ihn seine Abschiedstour in das Land, in dem er nicht unerkannt die Straßen betreten kann. Er gehe in China "nicht so oft nach draußen", hatte Boll einmal in einem Interview mit dem Olympic Channel erzählt. Zu groß ist der Wirbel in der tischtennisverrückten Nation um den deutschen Rekordeuropameister.
"Wenn mich jemand erkennt, dann schauen gleich eine Menge Leute", das sei "wie bei Fußballern". Dabei sei er gar nicht der Typ, "der gerne im Rampenlicht steht". Um das Rampenlicht wird Boll dieser Tage jedoch wohl kaum herumkommen, wenn er ab Donnerstag beim WTT Champions ein letztes Mal in China antritt.
Seit 2006 bei Borussia Düsseldorf
Die Entscheidung, seine internationale Karriere zu beenden, habe er lange vor sich hergeschoben, sagte Boll der FAZ: "Aber ich merke, dass ich ein Alter erreicht habe, das doch sehr auf mein Niveau drückt. Und das macht mich unzufrieden. Irgendwann verlierst du den ständigen Kampf gegen die Schmerzen und den Körper."
Timo Boll beendet nach Olympia seine Karriere
Seit Jahrzehnten prägt Boll, der seit 2006 für Borussia Düsseldorf an den Start geht, die Sportart, vor 21 Jahren erklomm er erstmals die Spitze der Weltrangliste - damals träumte Tennis-Urgestein Rafael Nadal noch von seinem ersten Grand-Slam-Titel. Bolls Erfolge sprechen für sich: Neun Medaillen bei Weltmeisterschaften, vier Mal Edelmetall bei Olympischen Spielen, 20-facher Europameister.
Auf diese "herausragende Karriere" blickt auch der langjährige DTTB-Präsident und heutige DOSB-Chef Thomas Weikert "mit tiefem Respekt und ein bisschen Wehmut", wie er auf der Plattform X schrieb: "Eine Ära neigt sich ihrem Ende zu." Für Borussia Düsseldorf will Boll noch eine Saison weiterspielen, auf der großen Bühne ist nach Paris Schluss.
Paris: Die siebten Olympische Spiele
Für diesen Traum hat er sich gequält, das letzte Jahr sei kein Spaß gewesen, gab er zu. "Die Aussicht, zum siebten Mal an Olympia teilzunehmen, hat mich aufrechterhalten, die letzten zwei Jahre durch die Hölle zu gehen", sagte Boll, der zuletzt unter einer Schulterverletzung litt. In Paris hofft Bundestrainer Jörg Roßkopf für Boll "auf einen guten Abschluss", will die Erwartungen aber nicht zu hoch schrauben. "Viele warten darauf, dass wir eine Medaille holen und Timo den entscheidenden Punkt macht. Dann wäre die Karriere für viele noch perfekter, als sie es schon ist", sagte er im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Aber für mich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun." Boll habe unabhängig vom Ergebnis "eine herausragende Karriere".
Doch nicht nur sportlich wird Boll von Teamkollegen wie Gegnern gleichermaßen geschätzt. Der "Fair-Play-Gedanke" sei "sehr tief" in Boll verankert, sagte Roßkopf. Das weiß man auch in China spätestens seit dem WM-Achtelfinale 2005 in Shanghai. Damals hatte Boll im Duell mit Liu Guozheng eine Schiedsrichterentscheidung beim Matchball zu seinem Nachteil korrigiert und darauf aufmerksam gemacht, dass der Ball des Chinesen die Platte noch berührt hatte. Boll verlor den Punkt und schließlich das ganze Spiel.
"Ich habe es nie bereut, fair und ehrlich zu sein, auch wenn man in dem Moment mehr gibt, als man zurückbekommt", sagte er im FAZ-Interview. Dem Sport, der ihm so viel gegeben habe, will Boll auch nach seinem Karriereende "auf jeden Fall treu bleiben" und auch "China und seinen Menschen" weiterhin "viel Beachtung schenken", Ideen gebe es genug, sagt Boll: "Mein Leben wird sicher interessant und spannend bleiben."
Quelle: sid