CHIO - Thieme stiehlt Vogel beim Großen Preis die Show

Stand: 07.07.2024, 18:46 Uhr

Andre Thieme war beim CHIO schon am Boden zerstört - und feierte am Ende doch einen historischen Sieg. Das Stechen beim Großen Preis wurde für Richard Vogel zum Drama.

Von Volker Schulte (Aachen)

Nach einer außergewöhnlich erfolgreichen Woche in Aachen war am Sonntag alles bereitet für Vogels Krönung. Der Senkrechtstarter des deutschen Springreitens ging im Stechen des Großen Preises als Letzter den Start, war spektakulär auf Siegkurs, nur noch ein Hindernis stand im Weg. United Touch hob gewohnt sprungstark ab, Vogel setzte schon zum Jubeln an - aber dann brachte doch noch ein Huf die Stange zu Fall.

"Ich war mir fast sicher, dass ich es geschafft habe", sagte Vogel. "Daraus werde ich lernen." Über Platz drei freue er sich trotzdem. "Das hätte ich heute Morgen sofort unterschrieben."

Vogels beeindruckende CHIO-Bilanz

Der 27-Jährige hatte in Aachen auf seinen Zweit- und Drittpferden ein Top-Ergebnis nach dem anderen eingefahren, darunter vier Siege. Bundestrainer Otto Becker nannte ihn einen "begnadeten Reiter. Was er macht, ist einfach top. Er hat einen Plan".

Schon vor Aachen hatte Becker sich festgelegt, dass Vogel mit United Touch bei Olympia für Deutschland reiten wird - genauso wie Christian Kukuk mit Checker und Philipp Weishaupt mit Zineday.

Das sind Deutschlands Springreiter bei Olympia

Bundestrainer Otto Becker hat sich auf sein dreiköpfiges Springreit-Team bereits festgelegt, sucht lediglich noch einen Ersatzreiter. WDR-Experte Carsten Sostmeier schätzt die Starter ein.

Christian Kukuck (Reiter) und Checker (Pferd)

Christian Kukuk mit Checker
"Es ist das beständigste deutsche Paar, hat schon Fünf-Sterne-Springen gewonnen", sagt Sostmeier - und bescheinigt Kukuk einen Leistungsschub. Der 34 Jahre alte Warendorfer entstammt einer Pferdesport-Familie, interessierte sich als Kind aber mehr für Fußball. Erst mit 13 Jahren begann er mit dem Reitsport, heuerte 2012 im Stall von Ludger Beerbaum an - und schaffte es 2021 zum ersten Mal zu Olympia. In Tokio landete er mit Mumbai auf Platz 31 im Einzel.

Christian Kukuk mit Checker
"Es ist das beständigste deutsche Paar, hat schon Fünf-Sterne-Springen gewonnen", sagt Sostmeier - und bescheinigt Kukuk einen Leistungsschub. Der 34 Jahre alte Warendorfer entstammt einer Pferdesport-Familie, interessierte sich als Kind aber mehr für Fußball. Erst mit 13 Jahren begann er mit dem Reitsport, heuerte 2012 im Stall von Ludger Beerbaum an - und schaffte es 2021 zum ersten Mal zu Olympia. In Tokio landete er mit Mumbai auf Platz 31 im Einzel.

Richard Vogel mit United Touch
Für Sostmeier ist Vogel, mit 27 Jahren der Jüngste im Team, der "Aufsteiger des Jahres". Als Zehnter ist der Mannheimer der derzeit bestplatzierte Deutsche in der Weltrangliste. "United Touch ist eines der sprunggewaltigsten Pferde bei Olympia", sagt Sostmeier. Vogel hat von Ludger Beerbaum gelernt, lebt und trainiert seit 2020 im hessischen Dagobertshausen und steht vor seinen ersten Olympischen Spielen.

Philipp Weishaupt mit Zineday
"Ihre Form ist noch nicht so konstant, aber als EM-Zweite und als Dritte beim Großen Preis von Aachen haben sie gezeigt, was möglich ist", sagt Sostmeier. Weishaupt und Olympia - das war bisher eine unglückliche Beziehung. 2012 war er für London nominiert, musste aber eine Woche vor dem Start der Spiele passen, weil sein Pferd Monte Bellini erkrankt war. 2021 stand er auf der Longlist für Tokio, bis sich seine Stute Asathir verletzte. Jetzt der dritte Anlauf für den 38 Jahre alten Augsburger, der wie Kukuk für Ludger Beerbaums Stall reitet.

Thieme: erst enttäuschend, dann furios

Für Thieme war der CHIO bis zum Sonntag ganz anders verlaufen als für Vogel. Im Wissen, noch um den vakanten Platz des Ersatzreiters bei Olympia zu kämpfen, zeigte er im Nationenpreis eine durchwachsene Leistung.

"Vielleicht war es tatsächlich nach dem Nationenpreis, dass ich gesagt habe: Es soll einfach nicht sein in diesem Jahr mit Olympia, ich wollte es einfach viel zu doll und war innerlich nicht locker genug - und das hat das Pferd wahrscheinlich auch gemerkt", sagte Thieme in der Sportschau.

Dann habe ihm seine Frau Corinna gesagt, er solle wieder einfach für sich reiten, ohne an die anderen zu denken, berichtete Thieme. "Das war es dann irgendwie auch. Ich kam in den Rhythmus und heute sprang meine Chakaria einfach wie vom anderen Stern. Es ist unglaublich, dass ich so ein Pferd haben darf."

Sieger Thieme - "Wie vom anderen Stern"

Sportschau 07.07.2024 02:18 Min. Verfügbar bis 07.07.2025 Das Erste

Mclain Ward auf Platz zwei

Chakaria hatte Thieme im Großen Preis fehlerfrei durch die ersten beiden Umläufe und damit ins Stechen gebracht. Auch dort blieb sie ohne Abwurf und war eine Sekunde schneller als der zweitplatzierte Mclain Ward (USA) mit Ilex. Der Schweizer Martin Fuchs leistete sich mit Leone Jei wie Vogel einen Abwurf und wurde Vierter.

Ehning verpasst Stechen knapp

Neun Starter hatten den ersten Durchgang fehlerfrei gemeistert, darunter vier Deutsche. In Durchgang zwei kassierte Routinier Marcus Ehning mit Coolio am letzten Hindernis einen Abwurf und verpasste so das Stechen. Ehnings Top-Pferd Stargold, mit dem er im Vorjahr in Aachen gewonnen hatte, befindet sich nach einer Verletzung im Aufbautraining.

"Ich freue mich riesig, dass ich die erste Runde null war", sagte Ehning und verwies darauf, dass Coolio ein relativ neues Pferd sei. "Er geht zum ersten Mal solch einen Großen Preis."

Wargers wird Sechste und fährt nach Paris

Auch Kendra Claricia Brinkop mit Tabasco, im Nationenpreis stark mit einer Doppel-Null, leistete sich im zweiten Durchlauf sechs Strafpunkte und wurde am Ende 15. Jana Wargers (Platz 6), Christian Kukuk (Platz 7) und Daniel Deußer (11) zeigten nach jeweils einem Abwurf im ersten Durchlauf fehlerfreie zweite Ritte.

Wargers und Dorette wurden nach einer Top-Leistung im Nationenpreis von Bundestrainer Becker am Nachmittag als Ersatzpaar für das Olympiateam nominiert. Für Konkurrent Thieme war das keine Überraschung mehr. "Ich wusste, dass der vierte Platz verfügbar ist. Aber die zwei Runden im Nationenpreis haben nicht geholfen", sagte er, fügte aber an: "Jetzt kann ich damit leben, nur Nummer fünf für Olympia zu sein.