Wenn bei Schalke gar nichts geht, dann geht meistens immer noch was über Kenan Karaman. Dies hat der 29-jährige Stürmer des FC Schalke 04 in der laufenden Saison der 2. Bundesliga bereits mehrfach unter Beweis gestellt - zuletzt beim eminent wichtigen 1:0-Sieg über Eintracht Braunschweig, einem direkten Konkurrenten im Abstiegskampf.
Es war ein typischer Karaman-Treffer: Der quirlige Offensivmann bewegte sich geschickt zwischen den Ketten der Eintracht, profitierte von einem risikoreichen, aber letztendlich perfekten Pass von Derry John Murkin. Es folgte das flinke Dribbling mit enger Ballführung, der Haken in die Mitte, der präzise Abschluss, das Tor. Und der erst betont coole Jubel, wobei Karaman dann aber vor der Fankurve doch noch einen emotionalen Ausbruch zuließ.
Karaman initiierte Positionswechsel selbst
Dieser unterstrich auch Karamans Freude darüber, Recht behalten zu haben. Denn gegen Braunschweig agierte er als zweite Spitze neben Kapitän Simon Terodde. In den letzten Wochen hatte Trainer Karel Geraerts ihn als Zehner eingesetzt, nun war Karaman vor dem Braunschweig-Spiel auf den Coach zugegangen und hatte diesen Positionswechsel angeregt.
Das verriet er nach der Partie in der Mixed Zone. Karaman hat demnach "dem Trainer signalisiert, dass ich mich in der letzten Linie wohler fühle, weil ich dann meine Aktionen im Eins-gegen-Eins habe". Und in solchen Duellen ist er eben besonders stark.
Der 29-Jährige weiß seine Qualitäten einzuschätzen. Eine davon ist angeboren: Karaman bringt ein Gardemaß von 1,89 Metern mit. Umso erstaunlicher ist es, dass der türkische Angreifer trotz seiner Größe machmal aus der Ferne wirkt wie der Prototyp des kleingewachsenen, technisch starken Außenstürmers. Was daran liegen mag, dass er diese Rolle während seiner Stationen bei Hannover 96 (2014-2018), Fortuna Düsseldorf (2018-2021) und Besiktas Istanbul (2021-2022) schon häufig ausgefüllt hat.
Variabilität ist Karamans große Stärke
Doch das Offensivspiel Karamans, der einst in den Jugendabteilungen des VfB Stuttgart, der Stuttgarter Kickers und der TSG Hoffenheim ausgebildet wurde, ist höchst variabel, nicht nur bezogen auf die Position. Das beweist seine Torbilanz in dieser Saison: Er erzielte drei Tore mit rechts, zwei mit links und eins mit dem Kopf, ist in seinen Aktionen kaum ausrechenbar.
Und Karaman behält dabei stets den Blick für einen möglicherweise besser postierten Mitspieler. Seine elf Scorer-Punkte beinhalten auch fünf Torvorlagen. Und zwar in nur 15 Liga-Einsätzen, denn wegen einer Wadenverletzung und einer Gelb-Rot-Sperre verpasste Karaman fünf Partien.
Auch verbal mittlerweile ein S04-Anführer
Die Bilanz auf dem Platz spricht Bände, allerdings traf Karaman zuletzt auch verbal den richtigen Nerv. Er tritt ab und an als Sprachrohr auf, gibt Interviews, geht abseits des Rasens als Führungsspieler voran.
So nahm er auch nach der enttäuschenden Leistung auf dem Lauterer Betzenberg im Sportschau-Interview kein Blatt vor den Mund und betonte, worauf es für Schalke nun ankomme: "Wir stecken unten drin und jeder muss sich im Spiegel hinterfragen."
Dabei ermutigte er aber auch sein Team: "Wir wissen, dass wir eigentlich gute Fußballer sind. Wir müssen da viel mutiger sein, viel öfter Bälle fordern, auch mal Risiko gehen." Diese Ermutigung fruchtete offenbar gegen Braunschweig, als ihm Murkin den risikoreichen Pass als Torvorlage gab.
Traum von EM-Teilnahme mit der Türkei lebt
Bei den Schalker Fans steht Karaman auch aufgrund seiner Wortmeldungen hoch im Kurs. Nicht zuletzt, weil er auch im Winter klar Stellung bezog und sich zur Mission Klassenerhalt mit den "Knappen" bekannte. Im "kicker"-Interview erklärte er Anfang des Jahres: "Ich werde in diesem Winter nicht wechseln. Ich habe ihm [Karamans Berater, d. Red.] gesagt, dass ich gar nicht erst wissen will, wenn sich jemand meldet."
Denn obwohl S04 in der 2. Bundesliga schlecht dasteht, sieht er keinen großen Nachteil für seine persönlichen Ziele: "Wir müssen mit Schalke deutliche Fortschritte in der Tabelle machen. Das würde dann auch meine EM-Chancen erhöhen." Karaman will für die Türkei nominiert werden und beim Turnier in Deutschland auf Torejagd gehen.
Wenn es dann am Ende mit dem Schalker Klassenerhalt und auch mit Karamans EM-Teilnahme klappt, dürften alle Beteiligten zufrieden sein.