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Wilhelm von Aquitanien, erster Troubadour

22. Oktober 1071 - Wilhelm IX. von Aquitanien wird geboren

Stand: 12.10.2021, 15:32 Uhr

Geistreich, kühn, begabt und witzig soll er gewesen sein: Wilhelm IX. von Aquitanien gilt als erster Troubadour - als Dichter und Sänger von höfischen Liebesliedern.

Über zwei Jahrhunderte dichten und singen die Troubadoure in Südfrankreich. Aus ihren Liedern entwickelt sich Literatur: höfische Romane, deutscher Minnesang, italienische Novellen. Der Stammvater der Troubadoure ist Wilhelm IX. von Aquitanien, der gleich zwei Adelstitel trägt: Er ist nicht nur der neunte Herzog von Aquitanien und der Gascogne, sondern auch der siebte Graf von Poitiers.

Wilhelm IX, Herzog von Aquitanien (Geburtstag, 20.10.1071)

WDR ZeitZeichen 22.10.2021 14:52 Min. Verfügbar bis 23.10.2099 WDR 5


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Wilhelm dichtet in Okzitanisch, einer Sprache, die bis heute in Südfrankreich und Nordspanien gesprochen wird. Rund ein Dutzend seiner Lieder ist erhalten geblieben. Doch über den Mann, der am 22. Oktober 1071 in Poitiers geboren wird, gibt es nur wenige gesicherte Quellen.

Als Herrscher erfolglos

Nach dem Tod seines Vaters Wilhelm VIII. von Aquitanien übernimmt der 15-Jährige im Jahr 1086 die Herrschaft über ein Gebiet, das damals erheblich größer ist als der Einflussbereich des französischen Königs. Seine erste Ehe bleibt kinderlos und wird annulliert. 1094 heiratet er Philippa, die Tochter des Grafen von Toulouse.

Es folgen Konflikte mit ihrer Familie. Wilhelm IX. besetzt daraufhin Toulouse, gibt die Stadt aber bald an einen Neffen ab. Sein Leben lang versucht er erfolglos, seinen Herrschaftsraum zu vergrößern. 1101 beteiligt er sich an einem Kreuzzug nach Jerusalem und kehrt im Jahr darauf zurück.

"Der Doppelgesichtige"

Wann er anfängt, Verse zu schreiben, ist unklar. In seinen Texten geht es mal zotig-derb zu, mal dichtet er zarte Verse, dann wieder denkt er sich komische Geschichten oder bildhafte Vergleiche aus.

Es gibt Lieder, in denen er anschaulich von körperlicher Liebe mit Frauen singt. Im Gegensatz dazu steht die Liebe zu höfischen Damen, die von ihm idealisiert werden. Seine eigenen Frauen hingegen behandelt der erste Troubadour nicht vorbildlich: Um eine Geliebte heiraten zu können, verstößt er seine zweite Ehefrau. "Der Doppelgesichtige" wird er auch genannt.

Begründer einer Dynastie

Wilhelm IX., der dem französischen König die Gefolgschaft verweigert, exkommuniziert wird und 1126 oder 1127 in Blaye bei Bordeaux stirbt, begründet eine Dynastie. Seine Enkelin Eleonore wird Königin von Frankreich und England, sie ist die Mutter von Richard Löwenherz. An ihren Höfen blüht die Kunst und Kultur, das bringt ihr die Bezeichnung "Königin der Troubadoure" ein.

Seine Urenkelin Marie de Champgne dichtet sogar selbst. Eleonore fördert den Troubadour Chretien de Troyes, der die ersten Romane der Literaturgeschichte schreibt, über Artus und die Ritter der Tafelrunde.

Autor des Hörfunkbeitrags: Christian Kosfeld
Redaktion: Christoph Tiegel

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 22. Oktober 2021 an Wilhelm IX. von Aquitanien. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

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