Im ehrwürdigen Wiener Musikverein findet ein Konzert statt, das als einer der größten Skandale der Musikgeschichte bekannt wird: Das Wiener Watschenkonzert – ein Musikevent mit Arnold Schönberg, das in einem handfesten Tumult gipfelt.
Arnold Schönberg ist ein Komponist, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die Emanzipation der Töne sorgt, ein Revolutionär: Warum soll der Grundton mehr Gewicht haben als andere Töne, warum muss Musik schön harmonisch klingen?
Experimente mit Tönen
Plakat des Konzerts Wien, Musikvereinssaal, 31. März 1913
Im Jahr 1913 ist Arnold Schönberg mit seinen Schülern noch auf der Suche. So wie Kandinsky, Picasso und Co zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Malerei mit Farben und Abstraktion experimentieren, so suchen die sogenannten Neutöner um Schönberg nach neuen Klängen und Kompositionswegen.
Arnold Schönberg ahnt, dass das Konzertprogramm vom 31. März 1913 für das Publikum eine
Herausforderung werden könnte. Er schreibt an den Veranstalter Erhard Buschbeck, es sei "gut, wenn das Publikum, das am Anfang noch unermüdet und geduldig ist", die "bitterste Pille in diesem Konzert" zu Beginn schlucken müsse. Dennoch kommt beim Konzert sehr schnell ein erstes Rumoren des Publikums auf.
Wüste Schimpfereien und Ohrfeigen
Arnold Schönberg kann aber seine Kammersinfonie op. 9 noch komplett dirigieren. Dann jedoch mischen sich laut Augen- und Ohrenzeugenberichten in das wütende Zischen und Klatschen die schrillen Töne von Hausschlüsseln und Pfeifchen. Wüste Schreiereien, eine erste Prügelei. Doch richtig zur Sache geht es erst bei den Liedern von Alban Berg, der Postkartentexte von Postkartentexte des Psychiatriepatienten Peter Altenberg vertont hat.
Schönberg schreit Richtung Publikum, er werde jeden Ruhestörer mit Anwendung öffentlicher Gewalt abführen lassen. Die Reaktion: wüste Schimpfereien und Ohrfeigen, sogar zu Verabredungen zu Duellen zwischen den Zuschauer-Blöcken soll es gekommen sein. Ein Konzertbesucher sagt laut einem Zeitungsbericht, dass man "die Anhänger dieser Musik in die Wiener Irrenanstalt abschaffen müsste".
Mit Stuhlbeinen soll die feine Wiener Gesellschaft aufeinander losgegangen sein, behaupten einige Quellen - bis jemand das Licht löscht und damit dem Tumult ein Ende setzt. Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges so viel Aggression bei einer Musikaufführung. Der Konzertsaal: ein Brennglas der Gesellschaft. Alles kommt an diesem Abend zusammen: unerhörte Musik, Massenmedien entfalten ihre Wirkung, die Spaltung zwischen Publikum und Kunstschaffenden beginnt und der Rückzug der zeitgenössischen Kunst in den Elfenbeinturm.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Claudia Belemann
Redaktion: David Rother
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 31. März 2023 an das Wiener Watschenkonzert. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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