Theo Zwanziger

8. September 2006 - Theo Zwanziger wird alleiniger Präsident des DFB

Stand: 01.09.2021, 15:52 Uhr

Als früherer Regierungspräsident kennt sich Theo Zwanziger aus in Führungspositionen, als Jurist und Schatzmeister hat er den Deutschen Fußballbund von innen kennengelernt. Vorwürfe, dass er vor seiner Amtszeit als DFB-Chef für den Kauf der Heim-WM 2006 mitverantwortlich war, bleiben am Ende unbewiesen.

Theo Zwanziger wird alleiniger DFB-Präsident (am 08.09.2006)

WDR Zeitzeichen 08.09.2021 14:50 Min. Verfügbar bis 09.09.2099 WDR 5


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Im Sommer 2004 ist der Deutsche Fußballbund in einem desolaten Zustand. Bei der EM in Portugal hat die Nationalmannschaft das Aus in der Vorrunde kassiert und Teamchef Rudi Völler seinen Job hingeschmissen. Als Hauptverantwortlicher für die Misere steht der selbstherrlich und planlos agierende DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder in der Kritik.

Höchste Zeit für einen Neuanfang, findet einer, der bislang nur im Hintergrund agiert: DFB-Schatzmeister Theo Zwanziger. "Der kam wie Kai aus der Kiste", sagt ARD-Experte Tim Brockmeier. "Er war Jurist, politisch gut vernetzt und hat eine klassische Funktionärskarriere gemacht. Aber im Scheinwerferlicht stand er nie."

Seit 1992 sitzt der 1945 in Altendiez (Rhein-Lahn-Kreis) geborene Zwanziger im Vorstand des DFB. Zuvor war er Verwaltungsrichter, CDU-Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz und Regierungspräsident in Koblenz. Seit 1991 führt er eine Anwaltskanzlei in Jena.

Präsident in Wartestellung

Als Theo Zwanziger seine Kandidatur für den Chefposten ankündigt, droht dem DFB eine Kampfabstimmung, denn Mayer-Vorfelder will nicht abtreten. Immerhin steht die Weltmeisterschaft im eigenen Land vor der Tür und damit die größtmögliche Bühne für einen DFB-Präsidenten.

Theo Zwanziger (r.) mit Gerhard Mayer-Vorfelder

Noch-DFB-Chef Mayer-Vorfelder und Nachfolger Zwanziger

Um seinen Präsidenten nicht in die Wüste schicken zu müssen, installiert der DFB im Oktober 2004 als Übergangslösung eine Doppelspitze; Zwanziger wird "geschäftsführender Präsident", bis sich Mayer-Vorfelder 2006 endgültig zurückzieht.

Zwanziger nutzt die Zeit im Hintergrund, um den bislang auf die Männer-Nationalelf fixierten DFB für die Zukunft aufzustellen. Er setzt Mädchen- und Frauenfußball auf die Agenda, beginnt mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des DFB und macht gegen Rassismus und Homophobie mobil. "Er hat dem DFB ein Gewissen und gesellschaftliche Relevanz gegeben, das ist Zwanzigers großes Verdienst", urteilt der Sportjournalist Brockmeier.

Alleiniger DFB-Chef nach "Sommermärchen"

2005 wird ein unruhiges Jahr für Zwanziger. Der Bestechungsskandal um Schiedsrichter Robert Hoyzer erschüttert den Fußball. Glaubwürdig verspricht Zwanziger die vollständige Aufarbeitung der Affäre. Auch der Druck auf den neuen Bundestrainer Jürgen Klinsmann wächst, denn ein Jahr vor der Heim-WM kann die DFB-Elf kaum überzeugen.

Zwanziger jedoch stärkt dem Bundestrainer den Rücken. Die Weltmeisterschaft im Sommer 2006 übertrifft trotz Platz drei für Deutschland alle Erwartungen. Nach dem "Sommermärchen" übergibt Klinsmann sein Amt problemlos an Co-Trainer Joachim Löw.

Welcher Preis allerdings für die Vergabe des "Sommermärchens" gezahlt wurde, weiß da noch niemand. Auch Theo Zwanziger ahnt wohl noch nichts von den juristischen Folgen, als er am 8. September 2006 zum alleinigen DFB-Präsidenten gewählt wird.

Zwanzigers Rolle beim WM-Kauf ungeklärt

Im Herbst 2009 konstatiert nicht nur Brockmeier gravierende Veränderungen bei Zwanziger: "Irgendwann hat er angefangen, sich selbst wichtiger zu nehmen als das Amt. Das machte ihn angreifbar." Als ein Journalist ihn einen "unglaublichen Demagogen" nennt, klagt Zwanziger durch fünf Instanzen auf Unterlassung – und verliert jedes Mal. 2010 lässt er sich erneut zum DFB-Präsidenten wählen, obwohl er intern längst seinen Rückzug angekündigt hat.

2012 übergibt Zwanziger sein Amt vorzeitig an Wolfgang Niersbach, den Generalsekretär des DFB. Im Oktober 2015 dann meldet "Der Spiegel": Die Heim-WM 2006 war mutmaßlich gekauft. Es geht um 6,7 Millionen Euro, die am Ende beim katarischen Fifa-Funktionär Bin Hammam gelandet sein sollen. Im Fokus der Anschuldigungen stehen Wolfgang Niersbach, "Kaiser" Franz Beckenbauer und Ex-DFB-Chef Theo Zwanziger.

Jahrelang ermitteln die Staatsanwälte. Dabei wird auch Zwanzigers Haus durchsucht, um dem früheren Schatzmeister eine Verstrickung in die Korruptionsaffäre nachzuweisen – vergeblich. Das Landgericht Frankfurt lehnt die Eröffnung eines Hauptverfahrens ab. Ein von der Schweizer Justiz eingeleiteter Prozess wird im April 2020 wegen Verjährung eingestellt.

Autor des Hörfunkbeitrags: Burkhard Hupe
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 8. September 2021 an DFB-Präsident Theo Zwanziger. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

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