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Im Bonner Bundestag reicht Rainer Barzel Bundeskanzler Willy Brandt die Hand, im Hintergrund ist die Regierungsbank zu sehen mit diversen Personen

27. April 1972 - Konstruktives Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt scheitert

Stand: 11.04.2022, 12:00 Uhr

Es war ein Moment, in dem das politische Bonn den Atem anhielt. Hunderttausende verfolgten gebannt einen Polit-Krimi im Bundestag. Am Ende gewann Brandt - mit Hilfe der DDR.

Als am 27. April 1972 SPD-Kanzler Willy Brandt die Abwahl droht, fiebert die Republik mit. Menschen verfolgen die Debatte am Radio und im Fernsehen. Ganze Belegschaften treten in den Ausstand oder kommen in Rot gekleidet zur Arbeit, um ihre Solidarität mit Brandt zu bekunden. Der Historiker Bernd Rother zählt 400.000 Menschen, die sich an Protesten beteiligen.

Das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt (am 27.04.1972)

WDR ZeitZeichen 27.04.2022 14:46 Min. Verfügbar bis 27.04.2099 WDR 5


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Die Ostpolitik polarisiert

Es geht am 27. April um das politische Überleben von Willy Brandt: ein im Volk sehr beliebter, aber in weiten Teilen der Bonner Republik geradezu verhasster Kanzler. Drei Jahre nach Amtsantritt steht er im Mittelpunkt einer aufgewühlten Debatte zu seiner Ostpolitik. Brandts Verträge mit den östlichen Nachbarn schaffen Fakten für eine neue Friedensordnung in Europa. Für diese Aussöhnung bekommt er 1971 den Friedensnobelpreis in Oslo - und viel Gegenwind in Deutschland.

Besonders umstritten ist der Vertrag mit Polen. Er steht Mitte Mai 1972 zur Abstimmung im Bundestag. Ein Vertrag, der faktisch die Oder-Neiße-Grenze anerkennt. Damit bleiben die ehemals deutschen Ostgebiete ein Teil Polens. Diese folgenreiche Politik Brandts polarisiert auch in den eigenen Reihen der SPD-FDP-Koalition. Mehrere Abgeordnete des Regierungslagers wechseln in die CDU/CSU-Fraktion. Brandts Mehrheit im Bundestag bröckelt und droht komplett zu kippen.

Barzel wagt das Misstrauensvotum

Als zwei FDP-Parlamentarier ankündigen, mit der Opposition zu stimmen, glaubt der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel eine Mehrheit zu haben und Kanzler werden zu können. Er fordert Brandt am 27. April heraus - und scheitert. Am Ende fehlen dem CDU-Politiker zwei Stimmen zur Mehrheit. Für Barzel ist schnell klar, dass ihm zwei Mitglieder der eigenen Fraktion die Gefolgschaft versagten.

Die Bestechung

Schon bald kommen Gerüchte über eine Bestechung von Abgeordneten auf. Ein 1973 eingerichteter Parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Bundestag kann dies jedoch nicht beweisen. Erst nach dem Ende der DDR wird klar: Die "Staatssicherheit" intervenierte. Unter dem Decknamen "Unternehmen Brandtschutz" kaufte sie die beiden Abgeordneten Leo Wagner (CSU) und Julius Steiner (CDU).

Autor des Hörfunkbeitrags: Hans Rubinich
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 27. April 2022 an das Misstrauensvotum gegen Brandt. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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