Eine undatierte elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt mehrere Humane Immunschwäche-Viren (HIV)

20. Mai 1983 - Die erste Beschreibung des HI-Virus wird vom Institut Pasteur veröffentlicht

"Gib AIDS keine Chance" - mit diesem Slogan wird in den 1980er-Jahren vor der damals noch rätselhaften Erkrankung gewarnt. Pariser Forscher finden schließlich den Auslöser: das Humane Immundefizienz-Virus (HIV).

Erstmals tritt AIDS 1981 ins öffentliche Bewusstsein. Die US-Gesundheitsbehörde CDC registriert eine merkwürdige Zunahme von Erkrankungen, die üblicherweise bei Patienten mit stark geschwächtem Immunsystem auftreten. Besonders bei jungen homosexuellen Männern wird eine Häufung dieser Erkrankung festgestellt.

Überall auf der Welt versuchen Wissenschaftler, eine Erklärung dafür zu finden. In der Fachzeitschrift "Science" erscheinen am 20. Mai 1983 gleich vier Artikel zum Thema. Einer von ihnen stammt von einer Forschergruppe am Institut Pasteur in Paris. Sie beschreiben darin ein Retrovirus, das aus einem geschwollenen Lymphknoten eines Patienten entnommen worden ist.

Nobelpreis für französisches Team

Mithilfe des Elektronenmikroskops können Fotos des Virus gemacht werden. Sein Name: Humanes Immundefizienz-Virus (HIV). 2008 werden die Virologen Luc Montagnier und Françoise Barré-Sinoussi vom Institut Pasteur für dessen Entdeckung mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.

Vorausgegangen ist ein jahrzehntelanger Streit mit dem US-Virologen Robert Gallo, der 1983 in derselben "Science"-Ausgabe einen der vier Artikel veröffentlicht und die Entdeckung des AIDS-Erregers für sich beansprucht hatte.

AIDS-Auslöser: Beschreibung HI-Virus erstmals veröffentlicht.

WDR ZeitZeichen 20.05.2023 14:53 Min. Verfügbar bis 20.05.2099 WDR 5


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Das HI-Virus schwächt die Immunabwehr

In den 1980er-Jahre gibt es kein Mittel gegen das HI-Virus: Es befällt ausgerechnet jene Zellen im menschlichen Körper, die für die Immunabwehr zuständig sind - die sogenannten Helferzellen. Die Immunabwehr gerät dadurch aus dem Gleichgewicht. Dieser Prozess kann Jahre dauern. Aber irgendwann ist der Körper nicht mehr in der Lage, auch harmlose Krankheitserreger abzuwehren.

Dann erkrankt der Patient an AIDS. Es kann zu allen möglichen Infektionen und Krebserkrankungen kommen. Das macht Angst. Politik und Öffentlichkeit reagieren vor allem mit der Diskriminierung der Infizierten. Im März 1987 kündigt Bayerns Innenminister August Lang (CSU) an, "Ansteckungsverdächtige" zu HIV-Tests vorzuladen. Bei einer Weigerung werde die "Vorführung durch die Polizei" veranlasst.

Rita Süßmuth: "Nicht Menschen bekämpfen"

Mit "Ansteckungsverdächtigen" sind Homosexuelle, Prostituierte und Drogenabhängige gemeint. Dabei ist damals schon klar, dass das HI-Virus durch Geschlechtsverkehr und durch Blutkontakt übertragen wird - also auch durch verunreinigte Blutkonserven oder bei Geburten von der Mutter aufs Kind.

Gegen die bayerische Linie setzt sich schließlich Bundesgesundheitsministerin Rita Süßmuth durch: "Es kann doch nicht sein", sagt die CDU-Politikerin, "dass wir die Menschen bekämpfen und nicht die Krankheit." Sie setzt auf Aufklärung und Prävention durch Kondome.

HIV noch nicht heilbar

Erst über Jahrzehnte können medikamentöse Behandlungen entwickelt werden. Inzwischen ist es möglich, den Ausbruch der Krankheit AIDS nach einer HIV-Infektion zu verhindern. HIV ist aber noch immer nicht heilbar. Bisher müssen Infizierte ein Leben lang Medikamente einnehmen. Man kann dann aber das Virus nicht weitergeben.

Mittlerweile gibt es neben dem Kondom auch eine Pille, die man zur Prävention vor dem Sex nehmen kann. Mit einer anderen Pille kann kurz nach einem Kontakt mit HIV versucht werden, eine Infektion zu verhindern. Die Wirkung dieser Medikamente ist allerdings nicht garantiert. Sie bieten keinen absoluten Schutz.

Prävention weiterhin wichtig

Auch HIV-Tests wirken präventiv: Je mehr getestet wird, desto schneller können Infizierte therapiert und dadurch weitere Infektionen verhindert werden. Eine HIV-Infektion ohne Behandlung ist jedoch nach wie vor mit großer Wahrscheinlichkeit tödlich.

Laut UNAIDS, dem Anti-AIDS-Programm der Vereinten Nationen, gab es 2021 weltweit 38,4 Millionen HIV-Infizierte. Etwa 1,5 Millionen kommen jährlich hinzu. Besonders gefährdet sind junge afrikanische Frauen, die wiederum ihre Kinder bei der Geburt oder im Säuglingsalter infizieren. Rechtzeitige Tests und die Gabe von Medikamenten könnte das verhindern.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Daniela Wakonigg
Redaktion: Gesa Rünker

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 20. Mai 2023 an die erste wissenschaftliche Beschreibung des HI-Virus. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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