Helene Wessel (1898-1969), Politikerin und Mitglied des Bundestags im Jahr 1962 bei der Bundesfrauenkonferenz der SPD

6. Juli 1898 - Politikerin Helene Wessel wird geboren

Sie ist eine der vier Mütter des Grundgesetzes. Die Katholikin Helene Wessel ist bereits in der Weimarer Republik beim Zentrum politisch aktiv. In der Bundesrepublik wechselt sie schließlich zur SPD.

Als jüngste von vier Geschwistern wächst die gebürtige Dortmunderin Helene Wessel als Tochter des Bahnbeamten Heinrich Wessel und seiner Frau Helene in eher kleinen, aber wohlbehüteten Verhältnissen auf. Der katholische Glaube prägt sie.

Bildung mit Briefmarken finanziert

Nach Schule und Handelsschule wird Wessel in Berlin Diplom-Wohlfahrtspflegerin. Diese Ausbildung finanziert sie – für eine Frau in damaligen Zeiten vollkommen ungewöhnlich – selbst. Unter anderem verkauft Helene Wessel dafür sogar ihre Briefmarkensammlung.

Geburtstag von Helene Wessel, einer der Mütter des Grundgesetzes

WDR ZeitZeichen 06.07.2023 14:57 Min. Verfügbar bis 06.07.2099 WDR 5


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Über die katholische Frauen- und Jugendbewegung kommt sie zum Zentrum. Helene Wessel engagiert sich in der Sozialpolitik. Sie gilt als beharrlich und durchsetzungsstark in der Männerdomäne Parteipolitik. 1925 wird sie Mitglied im Reichsparteivorstand. Drei Jahre später zieht sie für ihre Partei in den Preußischen Landtag ein.

Karriere-Neustart nach dem Krieg

In der Nazizeit kann sich Wessel nicht weiter politisch betätigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließt sie sich erneut der Zentrumspartei an. Auf dem ersten Parteitag 1946 wird sie zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt und übernimmt drei Jahre später den Bundesvorsitz des Zentrums. Doch die katholische Partei steht bald klar im Schatten der neuen CDU.

Die "Mütter" des Grundgesetzes (von links): Friederike Nadig (SPD), Helene Weber (CDU), Helene Wessel (Zentrum) und Elisabeth Selbert (SPD).

Die "Mütter" des Grundgesetzes (von links): Friederike Nadig (SPD), Helene Weber (CDU), Helene Wessel (Zentrum) und Elisabeth Selbert (SPD).

Helene Wessel wird in der Gründungsphase der Bundesrepublik in den Parlamentarischen Rat gewählt und ist damit eine der vier Mütter des Grundgesetzes – obwohl es ihr am Ende nicht weit genug ging. Die Historikerin Barbara von Hindenburg: "Sie hat daran mitgearbeitet, aber sie hat dem Grundgesetz nicht zugestimmt." Wessel vermisst im Grundgesetz direktdemokratische Elemente und die Stärkung von Elternrechten.

Helene Wessel lehnt die Wiederbewaffnung nach dem Krieg entschieden ab und engagiert sich in der "Notgemeinschaft für den Frieden in Europa". Damit stößt sie auf Ablehnung in ihrer Partei. Gemeinsam mit Gustav Heinemann und anderen gründet sie die Gesamtdeutsche Volkspartei. Als die GVP bei den Bundestagswahlen 1953 an der Fünf-Prozent-Klausel scheitert, löst sich die Partei wieder auf. 1957 tritt Helene Wessel dann in die SPD ein. Das führt zu ihrem Spitznamen: Helene Wechsel.

Über ihr Privatleben ist wenig bekannt

Im Bundestag redet sie für die Wiedervereinigung, gegen die Atomwaffen und geißelt - mitten im Kalten Krieg - die Hatz gegen Kommunisten. Wenig ist über das Privatleben von Helene Wessel bekannt. Die Kettenraucherin liebt Katzen, sammelt Briefmarken und tanzt – vor allem auf Bundespressebällen – leidenschaftlich gerne. Helene Wessel bleibt ledig und zieht im Alter mit ihrer lebenslangen Freundin in ein eigenes Haus mit Garten.

Als Helene Wessel 1969 in Bonn verstirbt, wird sie in einem Nachruf als Sozialpolitikerin mit dem Mut der Suffragette und dem Herzen einer Frau gewürdigt.

Autorin des Hörfunkbeitrags: Anja Arp
Redaktion: Gesa Rünker​

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