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Heinz Tietjen, Dirigent, Regisseur und Theaterleiter

24. Juni 1881 - Dirigent, Regisseur und Theaterleiter Heinz Tietjen wird geboren

Stand: 15.06.2021, 11:52 Uhr

Der Dirigent Heinz Tietjen ist der mächtigste deutsche Theaterleiter der Zwanziger- und Dreißigerjahre. Trotzdem gilt er als "Graue Eminenz" - und als politisch skrupellos.

Heinz Tietjen, Theaterleiter (Geburtstag, 24.06.1881)

WDR ZeitZeichen 24.06.2021 14:56 Min. Verfügbar bis 25.06.2099 WDR 5


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Kaiserreich, Weimarer Republik, "Drittes Reich", Bundesrepublik - Heinz Tietjen macht immer Karriere. Der Dirigent, Regisseur und Theaterleiter laviert sich janusköpfig durch die Systeme. Wolfgang Wagner, ein Enkel von Richard Wagner, hat Tietjen einmal als "Chamäleon" bezeichnet: "Er konnte sehr gut die Farbe wechseln."

Geboren wird Heinrich Vivien Tietjen am 24. Juni 1881 als Diplomatensohn im marokkanischen Tanger. Er soll die gleiche Laufbahn wie sein Vater einschlagen. Deshalb geht er im Auftrag der Bremer Westafrika-Gesellschaft nach Kamerun. Aber eine Augeninfektion beendet seinen Aufenthalt in der deutschen Kolonie.

Von Sozialdemokraten unterstützt

Auf der Schiffspassage nach Europa motiviert ihn Arthur Nikisch, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, Musik zu studieren. Am Stadttheater in Trier wird Tietjen als zweiter Kapellmeister angestellt und rückt rasch zum Intendanten auf.

Mit 26 Jahren bringt er erstmals Wagners Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" auf die Bühne. Er inszeniert und dirigiert. Nach dem Ersten Weltkrieg saniert er erfolgreich das Opernhaus in Breslau. Die Sozialdemokraten ernennen ihn 1925 zum Intendanten der Städtischen Oper in Berlin.

Juden entlassen

Zwei Jahre später wird Tietjen Generalintendant der sieben preußischen Staatstheater - darunter die sogenannte Krolloper, an der fortschrittliche Regisseure inszenieren. Als die aufstrebenden Nationalsozialisten gegen die Oper hetzen, sorgt Tietjen dafür, dass die Sozialdemokraten das Haus "abwickeln".

Nach ihrer Machtübernahme zeigen sich die Nazis erkenntlich: Tietjen wird als Intendant der Staatstheater bestätigt und zum Preußischen Staatsrat ernannt. Er tritt zwar nicht in die NSDAP ein, entlässt aber die meisten jüdischen Mitarbeiter seiner Theater.

Kontakt zu Hitler geleugnet

Tietjen wird auch künstlerischer Leiter der Bayreuther Festspiele - mit Adolf Hitlers Segen. Trotz seiner Machtfülle scheut Tietjen das Rampenlicht. Er fehlt bei geselligen Anlässen, telefoniert statt zu schreiben und weicht Fotografen aus.

Auch wenn er Hitler bei dessen Bayreuth-Besuchen trifft, bestreitet er nach dem Zweiten Weltkrieg jeden Kontakt mit dem Diktator: "Er hat ja mit mir - ich darf sagen: glücklicherweise - niemals ein Wort gesprochen."

Nach 1945 gibt sich Tietjen als Widerständler. Das funktioniert: 1948 wird er Intendant der Städtischen Oper Berlin im britischen Sektor. Später übernimmt er die Leitung der Hamburgischen Staatsoper. Heinz Tietjen stirbt am 30. November 1967 in Baden-Baden.

Autor des Hörfunkbeitrags: Michael Struck-Schloen
Redaktion: Hildegard Schulte

Programmtipps:

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 24. Juni 2021 an Heinz Tietjen. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.

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