19. Mai 2007 - Der Schriftsteller Hans Wollschläger stirbt in Bamberg
Stand: 10.05.2022, 10:17 Uhr
Übersetzer, Musiker, Religionskritiker - der Schriftsteller Hans Wollschläger ist in fast jedem Bereich der Kultur tätig. Sie ist für ihn der Sinn des Lebens. Denn das Schöpferische bietet eine einmalige Chance.
Was bleibt nach dem Tod? Für Hans Wollschläger ist klar: Vom menschlichen Leben bleibt das übrig, was es der Kulturgeschichte hinzufügt - "nur das wird auch im Gedächtnis bewahrt". Der Schriftsteller und Übersetzer sieht darin "die Quelle der Tröstungen". Bücher, Bilder und Musik machen es möglich, "Freundschaften über den Zeiten zu schließen". Und zum Beispiel mit Picasso, Beethoven und Nelly Sachs in Kontakt zu treten.
"Mir schiene das Leben nicht lebenswert, wenn diese Möglichkeit nicht wäre", sagt Wollschläger. Kultur ist für ihn nicht Sahnehäubchen, sondern - um im Bild zu bleiben - der ganze Kuchen. Die Kulturgeschichte ist das Fundament seiner Lebensauffassung. Das Schöpferische gilt ihm als das eigentlich Sinnvolle im Leben.
Von Karl May bis Psychoanalyse
Geboren wird Hans Wollschläger am 17. März 1935 in Minden als Sohn eines evangelischen Pfarrers. Auf Klavier- und Orgelunterricht folgt ein Studium an der Musikhochschule Detmold. Später arbeitet er als Lektor und als freier Autor.
Er schreibt, liest, übersetzt und komponiert ein Leben lang. Seine Themen sind vielfältig: Karl May, Gustav Mahler, Friedrich Rückert, die mittelalterlichen Kreuzzüge, gequälte Tiere in Zuchtbetrieben. Auch die Psychoanalyse fasziniert ihn.
Übersetzer von "Ulysses"
Wollschläger porträtiert auch Arno Schmidt und Theodor W. Adorno - seine beiden geistigen Väter, wie er sie nennt. Bekannt macht ihn die Übersetzung des Romans "Ulysses" von James Joyce. Im Mittelpunkt seiner eigenen schriftstellerischen Arbeit steht die fiktive Künstlerbiografie "Herzgewächse oder Der Fall Adams": Die Figur Michael Adam kehrt 1950 aus der Emigration in seine Heimatstadt Bamberg zurück.
Auch Wollschlägers Essays sorgen für Aufmerksamkeit. Zum Beispiel, als er die katholische Kirche - in einer rhetorischen Frage - als kriminelle Vereinigung abkanzelt und "die angebliche Religion der Liebe eine Todesreligion" nennt.
"0,05 Promille Menschen"
Doch Wollschläger ist kein Bestseller-Autor: "Meine Bücher sind nie über eine Verbreitung hinausgekommen, die mehr als 0,05 Promille Menschen in diesem Land erreicht hätte." Das ist ihm ganz recht: "ich bin, bei der Beschaffenheit der Menschen in diesem Land, gar nicht sicher, ob ich das anders haben wollte."
Der Schriftsteller erhält bis ins Alter Auszeichnungen, auch das Bundesverdienstkreuz. Er übersteht zwei Herzinfarkte und gibt das Rauchen auf. Am 19. Mai 2007 stirbt Hans Wollschläger in Bamberg, wo er seit 1958 gelebt hat.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Monika Buschey
Redaktion: Matti Hesse
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 19. Mai 2022 an Hans Wollschläger. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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