Der Unternehmer und Dressurreiter Josef Neckermann steht an der Box seines Schimmels Mariano, aufgenommen 1968 während während der Olympischen Sommerspiele in Mexiko

5. Juni 1912 - Josef Neckermann wird geboren

Stand: 30.05.2022, 10:07 Uhr

Josef Neckermann liefert das Wirtschaftswunder frei Haus: Blusen, Kleider, Waschmaschinen. Mit dem Versandhandel verdient der Unternehmer Millionen, als Dressurreiter holt er olympisches Gold und den Weltmeistertitel. Weit weniger glänzend ist seine Rolle in der NS-Zeit.

"Neckermann macht's möglich", lautet das Versprechen, das Josef Neckermann zu einem reichen Mann macht. Mit seinem Versandhandel hat der Unternehmer im Nachkriegsdeutschland ein gutes Gespür für die Bedürfnisse der Menschen.

So nimmt er als erster Versandhändler auch modische Artikel wie das Tupfenkleid "Gerti" für 19,45 D-Mark in seinen Katalog auf. Neckermanns Taktik, als "billiger Jakob" Luxusgüter von gestern zu Gebrauchsgütern von morgen zu machen, erweist sich als überaus erfolgreich. Sortiment und Auflage wachsen rasant.

Josef Neckermann, Unternehmer (Geburtstag, 05.06.1912)

WDR ZeitZeichen 05.06.2022 15:00 Min. Verfügbar bis 05.06.2099 WDR 5


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1963 taucht erstmals etwas völlig Unerwartetes im Katalog auf: Flugreisen nach Spanien. "Neckermann hat da Sehnsüchte geweckt, die er auch mit bezahlbaren Angeboten befriedigen konnte", erzählt der Bielefelder Historiker Christopher Kopper. Josef Neckermann wird zum Wegbereiter des heute so umstrittenen Massentourismus.

Profiteur der Arisierung der Wirtschaft

Geboren wird die Unternehmerlegende am 5. Juni 1912 als Sohn eines wohlhabenden Kohlehändlers in Würzburg. Bereits als Kind entwickelt er eine Leidenschaft für das Reiten. Doch als sein Vater früh stirbt, muss er den Sattel erst einmal an den Nagel hängen. Er absolviert eine Banklehre und arbeitet in verschiedenen Betrieben.

Mit 23 Jahren übernimmt Josef Neckermann, inzwischen Mitglied der NSDAP und SA, ein Würzburger Kaufhaus, dessen jüdischer Besitzer zur Aufgabe der Geschäfte gezwungen ist. Später kann Neckermann eine ehemals jüdische Wäschefabrik in Berlin ebenfalls zu einem Spottpreis erwerben. Neckermann wird so zum Profiteur der sogenannten Arisierung der NS-Wirtschaft.

"Reichsbeauftragter für Kleidung und verwandte Gebiete"

Rückblickend rechtfertigt der Unternehmer sein moralisch fragwürdiges und opportunistisches Verhalten mit dem sogenannten Einzelhandels-Schutzgesetz: "Es durften keine neuen Betriebe errichtet werden. Sie waren also gezwungen – wenn sie sich selbstständig machen wollten – Unternehmen, die vorhanden waren, zu übernehmen."

Mit Kriegsausbruch stellt Neckermann seine Kenntnisse um die Warenlogistik in den Dienst des NS-Regimes und avanciert zum "Reichsbeauftragter für Kleidung und verwandte Gebiete". Seine Unternehmen liefern Arbeitskleidung und Uniformen für die Wehrmacht.

"Er war wie viele seiner Zeitgenossen in der Wirtschaft ein patriotischer Deutscher, der von der Politik Hitlers im Prinzip überzeugt war", so der Historiker Kopper, "den auch die Rassenpolitik, die Enteignung, Verfolgung der deutschen und europäischen Juden kaltließ."

Zweite Karriere als Reiter und Unternehmer

Im Mai 1948 wird Neckermann bei seinem Entnazifizierungsverfahren als "Mitläufer" eingestuft. Ehrgeizig und mit seinem unternehmerischen Geschick startet er nun seinen Versandhandel und kann sich bald seiner alten Leidenschaft, dem Reiten, widmen.

Der dreifache Vater arbeitet sich mit der ihm eigenen Disziplin und Härte auch im Sport in wenigen Jahren an die Welt-Spitze und auf das olympische Medaillen-Treppchen: Bronze im Einzel in Rom 1960, Gold mit der Mannschaft in Tokio und Mexiko-City.

Die Geschäfte laufen mit der Zeit allerdings immer schlechter: Sein angeschlagenes Firmenimperium wird 1977 vom Karstadt-Konzern geschluckt. Neckermann engagiert sich nun vor allem bei der von ihm gegründeten Deutschen Sporthilfe. Der Dressurreiter und Unternehmer stirbt 1992 mit fast 80 Jahren.

Autor des Hörfunkbeitrags: Kay Bandermann
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 5. Juni 2022 an Josef Neckermann. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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