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Der Politiker Gustav Stresemann (Aufnahme von 1920)

10. Mai 1878 - Geburtstag des Politikers Gustav Stresemann

Aus einem fanatischen Befürworter des Ersten Weltkriegs wird nach 1918 ein Vernunftpolitiker, der die Demokratie von Weimar stützt und stabilisiert. Doch da bleiben Gustav Stresemann nur noch wenige Jahre.

Berlin, der 6. Oktober 1929. Staatsbegräbnis in der Reichshauptstadt. Der junge Rundfunk überträgt live. Gustav Stresemann wird in seinem Sarg vom Reichstag durch das Brandenburger Tor zum Außenministerium in der Wilhelmstraße gefahren. Hunderttausende säumen den Weg.

Stresemann stirbt jung an den Folgen eines Schlaganfalls. Nur sechs Jahre ist er in höchsten Staatsämtern, um die Weimarer Republik zu stabilisieren. Der Liberale hat die damals in Deutschland seltene Gabe, sich auch in die Position anderer Länder und Politiker zu versetzen und ihre Bedürfnisse zu sehen. Die "Verhinderung jeden Kriegs", das war seine Leitlinie.

Sohn eines Berliner Bierverlegers

Gustav Stresemann kommt 1878 in Berlin zur Welt. Der Vater ist ein so genannter Bierverleger. Er betreibt ein kleines Geschäft, versorgt vor allem Berliner Arbeiter mit Bier. Sohn Gustav darf als einziges von acht Kindern studieren. Das Fach: Nationalökonomie.

Gustav Stresemann, Weimars größter Staatsmann (geb.am 10.5.1878)

WDR Zeitzeichen 10.05.2023 14:48 Min. Verfügbar bis 10.05.2099 WDR 5


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Stresemann wird Wirtschaftslobbyist. Er heiratet, wird Vater zweier Söhne. Er tritt in die Nationalliberale Partei ein und wird 1907 der jüngste Reichstagsabgeordnete. Im Ersten Weltkrieg radikalisiert sich Stresemann zum nationalistischen Hardliner.

Sein Sohn Wolfgang Stresemann erinnert sich später an den "fast physischen Zusammenbruch" des Vaters, als der 1918 hörte, dass der Krieg verloren war. Gustav Stresemann hat ohnehin mit einer angeschlagenen Gesundheit und einem schwachen Herz zu kämpfen.

An die Spitze der rechtsliberalen Volkspartei

Der drohende Tod begleitet ihn. Im Januar 1919 macht Stresemann Wahlkampf in Nordhorn. Während einer Versammlung schlägt ihm ein Mann mit einem Hammer auf den Kopf. Er muss, um sein Leben fürchtend, über einen Acker fliehen. Kurz darauf bekommt er seinen ersten Herzinfarkt. Demokratische Politiker leben in ständiger Angst, vor allem, nachdem die Politiker Matthias Erzberger und Walther Rathenau von Rechtsextremen ermordet worden sind.

Der deutsche Liberalismus bleibt gespalten. Die Fortschrittlichen begründen die Deutsche Demokratische Partei, DDP. Stresemann wird Führer der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei, kurz DVP.

Stresemann hat zunächst kein Amt, ist aber populär. Er macht sich rar – und damit interessant. 1923 wird er Kanzler. Stresemann steht vor einem Chaos: Zusammenbruch der Wirtschaft, Hyper-Inflation. Separationstendenzen im Rheinland, kommunistische Aufstandspläne in Sachsen und Thüringen, schließlich der Putschversuch von Hitler und Ludendorff in München.

Kurze Kanzlerschaft

Schwarzweiß-Foto von Gustav Stresemann am Schreibtisch

Im Krisenjahr 1923 wird Stresemann Reichskanzler

Mit Optimismus und Pragmatismus löst Reichskanzler Stresemann unlösbar scheinende Probleme. Doch Stresemanns Kanzlerschaft dauert nicht einmal 100 Tage. Ein Vernunftpolitiker, der mehr und mehr hinter der Demokratie von Weimar steht.

Stresemanns große Koalition aber zerbricht. Er tritt Ende November als Kanzler zurück – und wird dann sechs Jahre lang in wechselnden Kabinetten zum Außenminister. Er sucht den Ausgleich mit den Westmächten, vor allem mit dem angeblichen "Erbfeind" Frankreich. Das macht ihn zur Hassfigur für die Rechten. Sie nennen ihn "Erfüllungspolitiker".

Friedensnobelpreis für Ausgleich mit Frankreich

Gustav Stresemann mit Aristide Briand und Sir Joseph Austen Chamberlain.

Stresemann verhandelt auf der Konferenz in Locarno

Stresemanns vielleicht größter Erfolg: der Vertrag von Locarno im Jahr 1925. Hauptergebnis: Deutschland verzichtet auf jede Grenzrevision im Westen. Das Rheinland wird entmilitarisiert. Dafür ist das Deutsche Reich wieder gleichberechtigter Partner und tritt dem Völkerbund bei. Stresemann und der Franzose Briand bekommen 1926 für den Vertrag von Locarno den Friedensnobelpreis.

1929 kann Stresemann noch einen großen Erfolg verbuchen. Die Franzosen kündigen auf der Haager Konferenz eine vorzeitige Räumung des Rheinlands an. Bald nach Stresemanns Tod bricht die Weltwirtschaftskrise aus. Radikale von links und rechts profitierten davon. Kommunisten und vor allem Hitlers Nationalsozialisten. Vernunftrepublikaner vom Schlage Stresemanns geraten in die Defensive. Es gibt auch nicht mehr viele von ihnen.

Autor des Hörfunkbeitrags: Heiner Wember
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 10. Mai 2023 an Gustav Stresemann. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 11.05.2023: Vor 1.155 Jahren: Diamant-Sutra im Buddhismus veröffentlicht