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Der Forscher Franz Carl Achard experimentierte mit der Herstellung von Zucker aus Rüben

28. April 1753 – Zuckerfabrikant Franz Carl Achard wird geboren

Jahrhundertelang ist Zucker dem Adel und den Wohlhabenden vorbehalten. Denn der Rohstoff für den süßen Genuss wächst nur in tropischen Gefilden und der Import ist teuer. Abhilfe schafft der Tüftler Franz Carl Achard, der Zucker aus heimischen Rüben herstellt.

"Goodbye Zucker", "Zuckerfasten", "Zuckerfrei gesünder leben", "Der süße Tod": Die Auswahl an Ratgebern für eine zuckerfreie Ernährung ist groß. Heute gilt Zucker als Verursacher von vielen Krankheiten. Ernährungsberater, Ärzte und sogar Politiker ermahnen, dass die Deutschen viel zu viel Zucker essen.

Von solchen Warnungen konnten die Menschen im 18. Jahrhundert nur träumen. Seit Kreuzfahrer den ersten Zucker nach Europa gebracht haben, sind die aus Zuckerrohr gewonnene Kristalle begehrt, aber für die meisten Menschen unbezahlbar.

Sklaven schuften auf Zuckerrohrplantagen

Alle Versuche, Zuckerrohr in Europa anzubauen, scheitern. Die Pflanze braucht ein tropisches Klima. Mit der Entdeckung der Neuen Welt forcieren die Europäer den Anbau dort. Allerdings sind Zuckerrohranbau und Ernte arbeitsintensiv. Deshalb müssen aus Afrika geholte Sklaven auf den Plantagen schuften.

Ein glänzendes Geschäft für die europäischen Länder, die Kolonien in der Neuen Welt haben. Preußen aber hat keine. Deshalb wünscht sich der König, man möge nach heimischen Pflanzen suchen, aus denen Zucker gewonnen werden kann.

Chemiker findet "süßes Salz" in heimischen Rüben

Der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf wird Mitte des 18. Jahrhunderts in der Runkelrübe, einer Futterrübe, fündig: "Aus den hier dargelegten Versuchen geht klar hervor, dass dieses süße Salz in unserer Heimat gerade so bereitet werden kann, wie in den Gegenden, wo das Zuckerrohr wächst."

Zuckerrüben stehen auf einem Feld: Franz Carl Achard baute Anfang des 19. Jahrhunderts die erste Farbrik zur Gewinnung von Zucker aus Rüben

Süße Entdeckung: Rüben enthalten Zucker

Als Marggraf stirbt, will sein Mitarbeiter Franz Carl Achard die theoretischen Kenntnisse zu Geld machen. Denn seine wohlhabenden Eltern verwehren ihm den Zugriff auf das Familienvermögen, weil er zunächst eine neun Jahre ältere Frau mit Kind geheiratet und später mit der Tochter seiner Ex-Frau zwei Kinder gezeugt hat. Das ist selbst im liberalen Berlin ein Skandal.

Franz Carl Achard - "ein genialer, oft verkannter Physiker"

Zum Glück ist Franz Carl Achard auch jenseits seines Liebeslebens neugierig, fleißig und erfinderisch. Geboren am 28. April 1753, wird er mit gerade einmal 23 Jahren zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt. Achard experimentiert unter anderem mit dem Anbau von Tabak, testet das Ausbrüten von Eiern mit elektrisch erzeugter Wärme und lässt Wasserstoffballons in den Himmel steigen.

Ein genialer, oft verkannter Physiker mit einem besonderen Scharfsinn im Erfinden und einem Talent in dem Ersinnen von Experimenten. Alexander von Humboldt über Franz Carl Achard

Sein Talent muss Achard nun zur Sicherung seines Lebensunterhaltes einsetzen. Hier verspricht Zucker rosige Gewinnaussichten. Obwohl die süßen Kristalle extrem teuer sind, geben die Preußen jedes Jahr ein Vermögen für den Import aus. Einen Teil davon will Achard abgreifen.

Erste Fabrik in Niederschlesien

Zunächst widmet er sich dem Anbau von Rüben. Er experimentiert mit verschiedenen Sorten und deren Zuckergehalt, testet Böden, Düngung oder den Abstand zwischen den Pflanzen. Auch als sein erster Hof abbrennt, lässt er sich nicht ermutigen.

Zucker ohne Sklavenarbeit: der Visionär Franz Carl Achard

WDR ZeitZeichen 28.04.2023 15:03 Min. Verfügbar bis 28.04.2099 WDR 5


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Achard übernimmt 1801 ein Gut im niederschlesischen Kunern und beginnt – mit Unterstützung von König Friedrich Wilhelm III. – im großen Umfang Zucker herzustellen. Dabei verarbeitet der experimentierfreudige Wissenschaftler auch Rübenabfälle zu Essig, Rum, Kaffee-Ersatz, um die Wirtschaftlichkeit zu steigern. Dann meint es das Schicksal abermals nicht gut mit ihm, ein Feuer ruiniert 1807 seine Anlage.

Siegeszug der Zuckerrübe

Zuckerrohrernte in Südamerika, Farblithographie um 1880.

Sklaven bei der Zuckerrohrernte

Statt einer neuen Fabrik gründet Achard nun eine Lehranstalt für Rübenanbau und Zuckergewinnung. Der Bedarf dafür ist durchaus groß. Der Bedarf dafür ist durchaus groß. Zwar hat die Sklavenarbeit im 18.Jahrhundert dafür gesorgt, dass Zucker plötzlich günstig wurde. Dennoch hatte in Preußen und Frankreich die heimische Zuckerindustrie inzwischen Fahrt aufgenommen. Auch weil Napoleons Kontinentalsperre den Import von Rohrzucker aus der Karibik zwischenzeitlich verhindert. Zudem soll die heimische Zuckerproduktion die Sklavenarbeit auf den Plantagen beenden.

Den Siegeszug der Rübe und das Ende der Sklaverei erlebt Franz Carl Achard nicht mehr. Er stirbt am 20. April 1821 in Kunern – von der Öffentlichkeit wenig beachtet. Aber sein Erbe ist gewaltig. Zwar konsumieren die Deutschen heute viel zu viel Zucker, aber dieser wird zu rund 90 Prozent aus heimischen Rüben hergestellt.

Autor des Hörfunkbeitrags: Marko Rösseler
Redaktion: Matti Hesse

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 28. April 2023 an Franz Carl Achard. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

ZeitZeichen am 29.04.2023: Vor 160 Jahren: Geburtstag des Zeitungsverlegers William Randolph Hearst