20. Oktober 1942 - Die Biologin Christiane Nüsslein-Volhard wird geboren
Sie ist die erste Frau in Deutschland, die einen naturwissenschaftlichen Nobelpreis erhält: Die Biologin Christiane Nüsslein-Volhard wird für die Erforschung des genetischen Bauplans von Lebewesen ausgezeichnet. Doch mit Lob tut sie sich schwer.
"Ich sehe ja nicht nur die brillanten Sachen, sondern ich sehe auch das, was ich nicht so gut kann", sagt Christiane Nüsslein-Volhard, die 1995 mit dem Nobelpreis geehrt wird - "für Physiologie oder Medizin", wie er offiziell heißt. "Deswegen bin ich mit mir selber vielleicht weniger zufrieden als Leute, die mich bewundern." Manchmal sei sie erstaunt, dass sie einen derart großen Erfolg habe. Ihre Sonderrolle sei ihr oft gar nicht so lieb.
Als der Telefonanruf des Nobelpreis-Komitees die Biologin erreicht, ist sie überrascht - die internationale Fachwelt jedoch nicht. Schon seit Jahren ist Christiane Nüsslein-Volhard damit beschäftigt, den Bauplan werdenden Lebens nachzuweisen - indem sie die "Drosophila melanogaster" untersucht, die Tau- oder Fruchtfliege. Die Forschungsfrage: Woher weiß die Eizelle, was zuerst gebaut werden muss, damit nicht plötzlich der Fuß am Kinn hängt?
Spezialistin für Molekularbiologie
Die Antwort darauf findet Christiane Nüsslein-Volhard zusammen mit zwei Kollegen, die mit ihr den Nobelpreis erhalten: Der US-Amerikaner Edward B. Lewis hat die Vorarbeit geleistet, worauf dann Nüsslein-Volhard ab 1978 und Eric Wieschaus ihre Versuchsreihen aufgebaut haben. Sie ist damals Forschungsgruppenleiterin am neu aufgebauten Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium in Heidelberg.
Der Durchbruch kommt 1980: Es sind vier Substanzen, die in der Eizelle dafür sorgen, dass aus einem Ei eine Gestalt wird. Anhand von Mutationen, also veränderten Genen, ist es gelungen, die einzelnen Funktionen für den Körperbau genetisch zu entschlüsseln. Daraufhin wird Nüsslein-Volhard 1985 Direktorin und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen.
Das Farbmuster der Zebrafische
Die am 20. Oktober 1942 in Heyrothsberge bei Magdeburg geborene Forscherin erhält mehr als 20 wissenschaftliche Auszeichnungen, mehrere Doktorwürden und das Bundesverdienstkreuz. Auch nach dem Erreichen des Rentenalters ist sie weiterhin aktiv.
Ihre Neugier treibt sie immer weiter an: Seit 2014 leitet sie am Max-Planck-Institut die Arbeitsgruppe "Colour pattern formation", die sich mit der Bildung von Farben bei Tieren beschäftigt. Ergründet wird die Entstehung von Farbmustern anhand von Zebrafischen.
Leidenschaftliche Köchin
Ende 2022 will die 80-Jährige die Leitung ihrer Forschungsgruppe abgeben. Aber ihr Büro im Institut behält sie: "Ich muss eigentlich immer irgendwas zu tun haben, sonst bin ich nicht glücklich." Statt zu Hause Romane lesen, möchte sie Vorträge halten und wissenschaftliche Abhandlungen schreiben.
Auch einer weiteren Leidenschaft will sie treu bleiben: dem Kochen und Backen. Ein Rezeptbuch hat sie bereits veröffentlicht - mit Gerichten, die sie bei Feiern mit Doktoranden und Mitarbeitern serviert hat. Der Untertitel von "Mein Kochbuch" lautet bescheiden: "Einfaches zu besonderen Anlässen".
Autorin des Hörfunkbeitrags: Irene Geuer
Redaktion: Gesa Rünker
Programmtipps:
ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 20. Oktober 2022 an Christiane Nüsslein-Volhard. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.
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