Leichenwagen im Bestattungsmuseum in Wien

14. Juni 1967 - Eröffnung des Bestattungsmuseums in Wien

Stand: 07.06.2022, 12:14 Uhr

"Der Tod, das muss ein Wiener sein", sang Georg Kreisler. Denn wo wird - wenn nicht in Wien - ein Tabu so gerne und so boshaft gebrochen. Ehrensache, dass diese Stadt ein besonders schönes Bestattungsmuseum hat.

Gekreuzte Knochen, lorbeerumkränzte Schädel, Kaisergruft, Pestsäule, Herzstichmesser. Lust an der schönen Leich' liegt den Wienerinnen und Wienern im Blut: Sie können seit Juni 1967 im weltweit ersten Bestattungsmuseum in die Totenwelt reisen und gelegentlich auch probeliegen im Sarg.

Eröffnung des Wiener Bestattungsmuseums (am 14.06.1967)

WDR ZeitZeichen 14.06.2022 14:54 Min. Verfügbar bis 14.06.2099 WDR 5


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Morbide Souvenirs im Museumsshop

Heute befindet sich das Museum beim Wiener Zentralfriedhof. Die mit schwarzem Humor präsentierten Exponate laden ein zum Nachdenken über die Vergänglichkeit, auch die morbiden Souvenirs aus dem Museumsshop, wie ein Bastelbogen "Zentralfriedhof" oder ein Sportbeutel mit der Aufschrift: "Ich turne bis zur Urne".

Die Eigenheiten des "Wiener Totenkults"

Mehr als 250 Exponate geben Einblick in das Wiener Trauerzeremoniell, das Bestattungswesen, die Geschichte der Wiener Friedhöfe und über die Eigenheiten des "Wiener Totenkults" vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute.

Stationen eines Trauerfalls

Erich Traxler, ehemaliger Sargträger und jetzt Mitarbeiter Bestattungsmuseum, erklärt die Ausstellung. "Die Ausstellung folgt den einzelnen Stationen und Phasen eines Trauerfalls: Der Mensch ist gestorben und wird betrauert. Anschließend folgt der Trauerzug, der bei den Wienern eben doch ein wenig anders ist, dann wird bestattet (in unterschiedlichen Weisen) und schließlich dem Toten gedacht und erinnert."

Totsicher mit dem Herzstichmesser

Unter den Exponaten finden sich auch Skurrilitäten, wie zum Beispiel ein Herzstichmesser. Es stammt aus einer Zeit, als man fürchtet, lebendig begraben zu werden.

Wer auf Nummer sicher gehen will, verfügt wie Johann Nestroy oder Arthur Schnitzler zu Lebzeiten den postmortalen Herzstich. Davon zeugt im Bestattungsmuseum das 18 Zentimeter lange Messer, das dem Verstorbenen unter amtlicher Aufsicht ins Herz gestoßen wird.

Umstrittenes Recycling

Aus dem Jahr 1784 stammt der Klappsarg, den Kaiser Joseph II. anwenden lässt, um die Särge mehrmals verwenden zu können. Der Sarg wird über das Grab gestellt, unten geht eine Klappe auf, die Leiche fällt heraus und der Sarg ist bereit zur nächsten Belegung.

Es ist kein schöner Anblick, wenn die in einen Sack gehüllte Leiche in die Grube plumpst. Es gibt einen Proteststurm gegen diese Form der Bestattung und schon nach einem halben Jahr muss der Kaiser die ungeliebte und umstrittene Maßnahme wieder zurücknehmen.

Das letzte Fest wird am größten gefeiert

Heute gibt es in Wien an die 100 Friedhöfe. Kurios ist der Friedhof der Namenlosen, auf dem früher die angeschwemmten Donauleichen begraben sind. Imposant dagegen der Zentralfriedhof, der zweitgrößte seiner Art in Europa. Hier sind bisher drei Millionen Menschen beigesetzt, darunter viele Prominente wie Franz Schubert und Curd Jürgens.

Erich Traxler: "Man sagt auch in Wien. Wir haben alle Feste groß gefeiert und das letzte feiern wir am größten. Das ist ja auch die Schöne Leich."

Autorin des Hörfunkbeitrags: Hildburg Heider
Redaktion: David Rother

Programmtipps:

ZeitZeichen auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 14. Juni 2022 an die Eröffnung des Bestattungsmuseums in Wien. Das ZeitZeichen gibt es auch als Podcast.

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