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Geraint Thomas (Grossbritannien / Team Sky) im Gelben Trikot - Tour de France 2018 - 20. Etappe

In zwei Minuten: Fahren wie die Profis

Tief gebückt auf dem Rennrad. So sehen wir in den Abendstunden oder am Wochenende die Rennradfahrerinnen und Fahrer auf den Straßen. Während die Profis tagsüber ums Gelbe Trikot und den Etappensieg fahren.

Einmal so fahren wie die, das wird sich mancher Freizeitradler wünschen. Oder wenigstens so aussehen. So geht es auch unserem Autor Willi Schlichting, der den Unterlenker ganz tief gepackt hat und Sie in seinem Windschatten in nur zwei Minuten ans Feld der Profis heranführen möchte.

In fünf Folgen "Fahren wie die Profis" ist sein Versprechen. Wenn es nicht klappt, wissen wir wenigstens warum. Und können das vielleicht mit einem Schmunzeln akzeptieren. Viel Erfolg!

Aussehen wie die Profis

Ein professionelles Trikot sitzt wie eine zweite Haut. Es sitzt sogar besser als die eigene Haut. Die darf Falten haben, die obere Bekleidung nicht. Denn Falten machen langsam. Und wir wollen ja fahren wie die Profis: schnell. Und nachdem das Gewicht des Rennrades Jahrzehnte lang das Top-Thema war, ist es nun die Aerodynamik. Die macht zum größten Teil der Fahrer kaputt. Bis zu 80 Prozent des Luftwiderstandes ‚verschulden‘ wir.

Am schnellsten wäre also ein Rad ohne Fahrer. Bis dahin wird an der Bekleidung getüftelt. Aero-Trikot, Aero-Hose, Aero-Helm, Aero-Überschuhe, Aero-Brille, Aero-Einteiler. Der ist etwas für Freizeitfahrer, die es ernst meinen. Die meisten von uns haben den zuletzt als Säugling getragen. Wenn Sie den Strampler von damals noch haben, dürfte der heute wirklich gut sitzen. Sollte er gelb sein, Obacht! Aussehen wie die Profis hat Grenzen. Das Gelbe Trikot gehört nicht auf jede Haut und verträgt auch keine Ironie. Damit fahren wirklich nur völlig unbedarfte oder ignorante Radsportler.

Greifen Sie zum Grünen des besten Sprinters, auch wenn andere schneller sind. Oder zum gepunkteten Trikot und quälen Sie sich den Berg rauf. Sie werden viel Aufmunterung erfahren. Auch die Team-Trikots der echten Profis sind beliebt. Wenn sich das für Sie gut anfühlt, machen Sie das. Hoffen Sie nur nicht, mit Pogacar oder Vingegaard verwechselt zu werden. Wo kein Trikot ist, ist Haut. Und die kann man rasieren. Muss man das? Die Beine ja, unbedingt. ‚Wer nicht rasiert, verliert‘. Die Arme: Kann-Zone. Bart und Haupthaar: Da sind Sie frei. Hipster fahren unrasiert. Geht auch. Und das sind oft auch tolle Fahrerinnen und Fahrer. Aber ein Team Hipster wurde bei der Tour de France noch nicht gemeldet.

Fahren wie die Profis – Das Aussehen

WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 04.07.2024 02:13 Min. Verfügbar bis 03.07.2025 WDR 5


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Essen wie die Profis

Auf einem ‚Hungerast‘ lässt sich nicht gut sitzen. Und Radfahren schon mal gar nicht. Die ‚Speicher‘, so sprechen Radsportler, sind leer. Und wie bei einem E-Auto dauert das Laden. Ein Freizeit-Rennradler kann mit kaltem Schweiß auf der Stirn und drei Müsliriegeln in der zittrigen Hand eine halbe Stunde warten, bis der ‚Motor‘ wieder anspringt. Die Profis können das nicht.

Deshalb heißt es: essen, essen, essen. Vor dem Hunger. Dabei nicht zunehmen, nicht abnehmen, nicht zu früh essen, nicht zu spät, das richtige für die Bergetappen, für die Flachetappen – und die richtigen Getränke. Darum kümmert sich die Ernährungsberatung im Team. Um die Jahrtausendwende konnte der Radsportler da sein zweites Eis bestellen. Heute können die Berater und Beraterinnen den Sportlern sagen, was und wieviel sie wann brauchen. Die wissen sogar, wann der Sportler wieder Hunger haben wird und planen entsprechend aufs Gramm. Wer falsch isst, kann nicht richtig fahren. Auch nicht in der Freizeit.

Wenn ihre Ernährungsberatung auf dem Flyer einer Fast-Food-Kette steht, haben Sie es leicht: Machen Sie das Gegenteil. Pasta, Reis, Hirse, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst, Fisch, Geflügel, Salate, nur gute Öle und wenig Fleisch. Das alles in der richtigen Balance. Wenn Sie alle Kochbücher für den Ausdauersport lesen wollen, können Sie das Rennrad in diesem Sommer stehen lassen. Lesen Sie ein oder zwei und hören Sie auf den wichtigsten Ernährungsberater: ihren Körper. Wer richtig in die Pedale tritt und beim Zwischenstopp an der Pommes-Bude zuschlägt, macht das nie wieder. Ihr Körper wird Ihnen während der Fahrt vielleicht auch sagen: Ich will diese klebrig-süße Schmiere aus der Tube nicht. Das haben Sie nicht gehört und schlucken das Gel und trinken sofort danach. Geht doch! Gels sind was für Fortgeschrittene. Die oft auch keine Zeit haben, die leere Tube wieder ins Trikot zu stecken. Achten Sie mal drauf entlang beliebter Anstiege. Klassisch sind die Müsli-Riegel, die es in ganz vielen Geschmacksrichtungen gibt. Wenn Sie viel trainieren, kennen Sie schon nach einer Saison alle. Dann ist es Zeit für einen Stopp. Und ein Stück Kuchen.

Fahren wie die Profis: Das Essen

WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 05.07.2024 02:28 Min. Verfügbar bis 05.07.2025 WDR 5


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Windschatten fahren wie die Profis

Menge macht schnell. Das physikalische Gesetz ist nicht von Helmut Newton. Das zeigen uns die Profis. Ein dichtes Fahrerfeld ist grundsätzlich jedem Einzelfahrer überlegen. Steile Berge und lange Abfahrten bilden die Ausnahme. Der Windschatten trägt kein Trikot, kann aber zum besten Verbündeten werden. Den gibt es kostenlos, wenn wir möglichst dicht hinter dem Vorausfahrenden bleiben.

Wenn Sie zufällig kein Team haben, geht das so: Sie sehen einen anderen Fahrer, ‚saugen‘ sich ran, bleiben am Hinterrad, fahren dort ‚Taxi‘ wie es Ex-Profi Jens Voigt mal nannte und ziehen irgendwann mit Schmackes vorbei. So macht man sich Freunde. Also übertreiben Sie es nicht. Schon der Begriff dafür macht die Zwiespältigkeit klar: Lutschen am Hinterrad. Oder schmutziger Windschatten. Linienbusse, Traktoren und Müllfahrzeuge erzeugen den besten Windschatten, sind aber tabu.

Der Hinweis aus dem Bus: ‚Bitte hinten einsteigen‘ könnte bittere Ironie werden, wenn der Fahrer vorne auf die Bremse tritt. Der beste, saubere Windschatten ist also der organisierte. Bieten Sie fremden Fahrern bei starkem Gegenwind einen Wechsel an der Spitze an. Mit einem Handzeichen, das ein Kreiseln andeutet. Dann gehen Sie nach vorn und lassen den anderen behutsam an ihr Hinterrad rollen. Wird das nicht verstanden, liegt’s bestimmt nicht an Ihnen. Einfach weiterfahren als wäre nichts gewesen. Bei E-Bike-Fahrern macht das übrigens wenig Sinn. Denen können Sie nur einen Akku-Wechsel vorschlagen. Wenn Sie etwas Profi-Flair in die Sache bringen wollen, üben Sie mit ihren Freunden oder in ihrer Mannschaft den ‚belgischen Kreisel‘. Da ist einer kurz vorne, schert seitlich aus, lässt sich nach hinten fallen. Die anderen rücken nach. Die Zugvögel machen das so, meistens ohne Fahrrad. Das funktioniert nur, wenn sie sich ganz dicht ans Hinterrad trauen. Und wenn die vorne Fahrenden, nicht einfach mal so bremsen für einen Foto-Stopp.

Fahren wie die Profis: Windschatten fahren

WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 11.07.2024 02:20 Min. Verfügbar bis 05.07.2025 WDR 5


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Radbeherrschung wie die Profis

Es ist dieser Wimpernschlag zwischen Kontrollverlust und Aufschlag, den man nicht vergisst. Stürze gehören zum Radsport – leider. Und die Profis haben dieses Jahr mit Stürzen begonnen, die schon beim Anschauen weh tun.

Ein sturzfreier Tag bei einer großen Rundfahrt ist die Ausnahme. Profis wissen das. Und sind, wie jeder Mensch, geschockt, wenn Fahrer tödlich verunglücken. So wie Radprofi André Drege bei der Österreich-Rundfahrt während in Frankreich die Tour gefahren wurde und Gino Mäder bei der Tour de Suisse vergangenes Jahr. Stürze vermeiden und Rennen gewinnen. Ein Spannungsfeld.

Der Helm ist Pflicht seit 2004. Absperrgitter werden aktuell verändert, Ortsdurchfahrten entschärft und gefährliche Fahrweise im Sprint wird sanktioniert. Es bleibt ein gefährlicher Sport. Und da haben wir Freizeitfahrer es deutlich leichter als die Profis. Wir müssen nicht 'reinhalten' – so heißt das im Radsport –, um die beste Position weit vorn zu bekommen. Wir können uns auch mal raushalten. Da macht im Team-Bus keiner Druck. Wahrscheinlich interessiert sich nicht einmal jemand für unsere Performance, außer wir selbst.

So entspannt können wir von den Profis lernen: Denn die beherrschen ihr Rad wie die rechte oder linke Hand. Regenjacke bei 50 Km/h freihändig an- oder ausziehen. Das können die. Fangen Sie klein an, ohne Regenjacke und mit Schrittgeschwindigkeit. Schrauben Sie die Klickpedale ab, nehmen sie normale. Und dann üben Sie extrem langsam fahren, Hindernissen ausweichen und die am Boden stehende Trinkflasche während der Fahrt aufheben. Hört sich nach Verkehrsübungsplatz an? Ja. Radfahren können die meisten schon, Rennradfahren ist nochmal etwas anderes. Schon wegen der Klickpedale. In die muss man bewusst ein und aussteigen. Wie beim Skifahren. Sie werden als Anfänger von den 'alten Hasen' hören: "Auch Du wirst einmal zu spät aussteigen und umfallen". Nehmen Sie die Prophezeiung als Ansporn. Und wenn Sie stürzen: nach dem Aufstehen nicht gleich weiterfahren. Das machen Profis, aber soweit sollten wir nicht gehen.

Fahren wie die Profis: Radbeherrschung

WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 12.07.2024 02:24 Min. Verfügbar bis 08.07.2025 WDR 5


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Rennen fahren wie die Profis

Den Stress tue ich mir nicht an. So kann man zu den Rennen der Freizeitfahrer stehen. Den so genannten Jedermannrennen. Bevor Sie in den Chor einstimmen, bitte einmal kurz die Bremse ziehen. So nah kommen Sie den Profis nie wieder. Schon deshalb, weil bei den Rennen die abgesperrte Strecke von beiden Fahrerlagern genutzt wird. Nicht zur selben Zeit. Das wäre zu frustrierend für uns Freizeitfahrer. Haben Sie einmal im Startblock gestanden und den Sprecher beim Countdown gehört, können Sie das erst für sich entscheiden. Die Hormondusche bei drei, zwo, eins – Start weckt den Rennfahrer in Ihnen. Sie sind der nette Typ, die nette Fahrerin, die auf dem Rad nur frische Luft und Zeit mit Freunden erleben möchte.

Nein, das sind Sie nicht. Nicht nur: Auch ihre Vorfahren stammen aus der Steinzeit. Da schlummert die Kämpferin, die drei Stunden lang Vollgas gibt, die Ellbogen leicht ausstellt und an nichts denkt. Die nur trinkt, klebrige Gels schluckt und den Radcomputer im Blick hat. Und die für Windschatten ums beste Hinterrad kämpft und ihr eigenes nicht herschenkt. Geben und Nehmen ist aus christlicher Sicht lobenswert. Und wenn Sie mit ihrem Team oder Freunden fahren - oder eine Allianz im Rennen schmieden - auch Pflicht.

Sonst gilt: Nehmen ist seliger denn Geben. Holen Sie sich Windschatten wo immer er sich anbietet. Das ist nicht unmoralisch. Das ist Rennen. Sie können Eschborn-Frankfurt fahren, bei Rund um Köln, beim Münsterland-Giro. Oder sonst wo. So werden Sie sich selbst vielleicht noch nicht erlebt haben. So schnell, so euphorisch, so voller Schmerzen und so glücklich im Ziel. Mit einer Medaille um den Hals, die Sie in den ersten Minuten nach dem Rennen nicht gegen ein Eigenheim tauschen würden. Macht uns das zu Profis. Nein. Macht das Freude: Ja

Fahren wie die Profis: Rennen fahren

WDR 5 Neugier genügt - Freifläche 18.07.2024 02:16 Min. Verfügbar bis 05.07.2025 WDR 5


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