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Erlebte Geschichten mit Marianne Fritzen

Die kleine Frau mit der Strickmütze - Es ist fast genau 25 Jahre her, dass Marianne Fritzen zum ersten Mal an einer Straßenblockade teilnahm. Damals war die Mutter von fünf Kindern 55 Jahre alt - heute am 4. April feiert sie ihren 80. Geburtstag.

Von Sibylle Plogstedt

Damals, vor 25 Jahren, wollte Marianne Fritzen mit ihren Mitstreitern verhindern, dass Arbeiter mit Bohrfahrzeugen aus dem Depot fuhren, um den Salzstock in Gorleben auf seine Eignung als Atomlager zu erkunden. Marianne Fritzen wurde bundesweit berühmt: Ein Foto, das die kleine Frau mit der Strickmütze vor der Polizeikette zeigt, lief über die Nachrichtenagenturen. Seitdem stand die couragierte Frau im Kern der Protestbewegung im Wendland.

Bei den "Grünen" wieder ausgetreten

Sie engagierte sich bei den Grünen, ging in den Kreistag - und trat bei den Grünen wieder aus, weil die Partei ihrer Auffassung nach nicht strikt genug den Kampf gegen Gorleben beibehalten hat.

Lebenslauf:

Geboren im März 1924 Am Josefstag des Jahres 79, am 19. März, habe ich zum ersten Mal an einer Straßenblockade teilgenommen. Mir war mulmig. Auch deshalb, weil Straßenblockaden damals nicht wie heute als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat geahndet wurden. Wir wollten verhindern, dass Arbeiter mit Bohrfahrzeugen aus einem Depot herausfahren können, um den Salzstock in Gorleben als Atomlager zu erkunden.

Ihr Bild ging als Plakat um die Welt

Damals wurde ein Foto von mir gemacht. Eine kleine Frau mit einer Strickmütze vor einer Polizeikette. Das war ich. Ich bin katholisch erzogen worden, gehe ab und zu in die Kirche, war 50 Jahre bis zum Tode meines Mannes verheiratet und habe fünf Kinder. Mein Glaube hat aber mit meinem Engagement für den Umweltschutz vordergründig nichts zu tun. Es liegt mir nicht, meine fast 30jährige Arbeit für den Umweltschutz einen "Kampf für die Schöpfung" zu nennen, wie viele Protestanten das tun.

Vorkämpferin für eine heile Welt

Als ich im Dezember 1973 die Bürgerinitiative Umweltschutz hier in Lüchow-Dannenberg mitbegründete, hatte ich mein Amt als Pfarrgemeinderätin schon aufgegeben wegen der zu großen Belastung. Damals sollte bei Gorleben ein AKW und dazu 1977 ein so genanntes "Nukleares Entsorgungszentrum für die Atomenergiegewinnung" gebaut werden. Das haben wir verhindert. ...Ich habe erlebt, wie in der Umweltschutzbewegung Leute miteinander ins Gespräch gekommen sind und an einem Strick gezogen haben, die sonst nicht viel miteinander zu tun haben: Schüler, Studenten, Bauern, Ärzte, Anwälte, Adelige, Hausfrauen. Das haben wir dieser Gesellschaft geschenkt, diese schichtenübergreifende Bewegung, das geht auch nicht wieder verloren, glaube ich.

Die Natur braucht keine Menschen

Wenn ich an meine Jugend denke, wo die Gesellschaft ständisch organisiert war, Hierarchien zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft unüberbrückbar waren, da erscheint es mir als unglaublicher Fortschritt, dass die Umweltschutzbewegung mitgeholfen hat, in Deutschland die Gesellschaft offener und durchlässiger zu machen. Immer mehr Menschen begreifen, dass wir mit unserer Welt und der Zukunft der Menschheit sorgsam umgehen müssen. Das ist wichtiger als ein Parteitagsbeschluss. Die Natur kann auch ohne die Menschen auskommen. Wenn wir nicht aufpassen, verschwindet die Menschheit wieder von diesem Planeten. (Marianne Fritzen in "Die Welt" vom 23. Juni 2000)

Redaktion: Mark vom Hofe

Erlebte Geschichten: Marianne Fritzen (04.04.2004)

Verfügbar bis 30.12.2099